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Historiker: Parallelen von Vietnam- und Irak-Krieg

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Vietnam. Der Name könnte an weiße Strände erinnern. Stattdessen evoziert der Klang albtraumhafte Bilder: olivgrüne Hubschrauber, Leichen am Wegesrand, apathische Soldaten in US-Uniform. Vietnam ist das Kürzel für ein unüberwindliches Trauma in der Geschichte der USA. Der Krieg der USA gegen die kommunistischen Nordvietnamesen ist ein Thema, das immer eine Rolle auf der politischen Bühne der USA zu spielen hat. So auch heute, am Ende der Bush-Ära, zu einer Zeit, in der US-Truppen nicht mehr im tropischen Urwald, sondern im arabischen Wüstensand stehen.

Irak und Vietnam, so die These des Hamburger Historikers Prof. Bernd Greiner, sollten zusammengedacht werden. Bernd Greiner lehrt Geschichte an der Uni Hamburg und arbeitet am dortigen Institut für Sozialforschung zum Thema Gewalt. Jüngst sprach er am Potsdamer Einstein Forum über „Selbstgestellte Fallen: Vietnam und Irak“. Es wurde ein guter, schonungsloser Vortrag: der Glaube an die Politik wurde auf eine harte Probe gestellt. Betretene Gesichter im Publikum, Kopfschütteln und leises Aufstöhnen zeugten von Unwohlsein. „Es kommt einem wie ein schlechter Traum vor“, so auch der nüchterne Historiker Greiner.

Im Washingtoner Winter von 2002/2003 trafen Schnee und Wüstensand aufeinander. Die Regierung Bush hatte die USA zum zweiten Mal in einen Krieg ohne Fronten geschickt. Der unter Vorwänden attackierte irakische Diktator Saddam Hussein war schnell besiegt. Doch dann verstrickten sich die USA, wie zu Beginn der 60er Jahre, in einen undurchschaubaren Konflikt. „Heute wirkt die Diskussion in den USA wie eine Zeitreise in die frühen 70er Jahre“, sagte Greiner. Warum kann man diesen Krieg nicht gewinnen? Warum versagt die Armeeführung? Warum werden Soldaten zu Mördern? Dies seien die Fragen, die seit 2005 von Veteranen des Irakkrieges gestellt würden. Dieselben Fragen, die der, offiziell im Januar 1973 beendete, Vietnamkrieg aufwarf.

Für Greiner lag das Verbindungsglied zwischen beiden Kriegen in der „imperialen Präsidentschaft“. Dieser von dem amerikanischen Historiker Arthur Schlesinger Jr. geprägte Begriff meint die Konzentration von Macht auf den Präsidenten der USA. So fiel der Begriff des „kalten Staatsstreichs“: bei beiden Kriegen habe sich eine Gruppe von „zivilen Weltanschauungskriegern“ im Weißen Haus gegen alle anderen Institutionen durchgesetzt. In beiden Fällen gewann die Gruppe engster Mitarbeiter um den Präsidenten die Überhand über alle anderen demokratischen Schaltstellen. Geheimdienstler, Militärstrategen und Medien wurden radikal auf die gewünschte Linie gebracht. Und in beiden Fällen, so Greiners Analyse, überwog der Wunsch, politische Willensstärke und Führungsansprüche zu demonstrieren, über realpolitische Einwände.

Blieb die Frage nach Schlussfolgerungen. Bernd Greiner ließ keinen Zweifel daran, dass beide Kriege in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar sind. Über 58 000 toten US-Soldaten in Vietnam stehen 4000 tote Amerikaner im Irak gegenüber. In beiden Fällen jedoch, ist die Zahl der amerikanischen Opfer skandalös hoch. Das Urteil der Geschichte im Fall Irak stehe noch ausstehe. Doch dieses Urteil, so Greiner, werde nicht nur die Regierenden treffen: die demokratische Öffentlichkeit habe ebenfalls eine undurchsichtige Rolle gespielt. Grund für Betroffenheit gibt es also genug. Die Geschichte hat Zeit. Mark Minnes

Mark Minnes

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