Landeshauptstadt: Süßes ab Werk
Heute öffnet bei Katjes in der Wetzlarer Straße der Fabrikladen – doch wie werden die Bonbons gemacht?
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Babelsberg - Zuckerwasser und Glukose – mehr braucht Manfred Kappler nicht, um einen Bonbon herzustellen. Und genau diese Zutaten gibt es in riesigen Mengen im neuen Katjes-Bonbon-Werk an der Wetzlarer Straße in Babelsberg. Denn dort stellen seit vergangenem Monat die ersten 25 von später 58 Mitarbeitern Kapplers Bonbons her.
Werksleiter Kappler zog allerdings aus Karlsruhe an seinen neuen Arbeitsplatz. Sein alter, die Ragolds-Bonbon-Fabrik mit 150 Mitarbeitern, in Süddeutschland wurde am 31. Dezember 2005 geschlossen. Neben wirtschaftlichen Gründen soll auch der Trend weg vom Hartbonbon hin zu weichen Süßwaren eine Rolle dabei gespielt haben. Schon im Oktober 2005 hatte die Firma Katjes allerdings die Fertigunglizenz für die in Karlsruhe hergestellten Granini-Fruchtbonbons übernommen, zwei Jahre zuvor bereits die Marke Gletscher Eis von Ragolds gekauft. Und nachdem der Süßwarenhersteller sein Werk im Badischen geschlossen hatte, nahmen sie den Leiter gleich mit. Denn er ist der Mann, der weiß, was bei der Bonbonproduktion wichtig ist. 33 Jahre arbeitet der Elektroniker schon in der Süßmittelbranche. Seitdem habe sich viel geändert, sagt er. Wurde früher die Bonbon-Rohmasse, das Slurry, noch von Köchen in Kupferkesseln angerührt, funktioniert die neue Katjes-Fabrik nahezu vollautomatisch.
Fast 100 Meter müssen Zuckerwasser und Glukose zurücklegen, ehe aus ihnen ein Bonbon wird. Der Vorgang dauert rund eine Stunde. Die Verwandlung beginnt schon außerhalb der Halle – in einem runden, sechs Meter hohen Stahltank. In dem lagert bei rund 80 Grad Celsius die Glukosemasse – erwärmt von einer Heizspirale. Kappler legt die Hand auf den Riesenzylinder: „Man spürt die Wärme.“ Durch dicke Rohre wird der Sirup in einen Behälter mitten in die Halle gepumpt. Werksleiter Kappler betritt sein Reich dagegen durch das rote Schiebetor: In der weiß getünchten Vorhalle stehen 40 kolossale Zuckertüten in Reih und Glied. Ein Anblick, als hätte sich eine Riesenfamilie für monatelange Notzeiten eingedeckt. Denn eine Tonne Zucker passt in eines der so genannten Big Packs, das reicht für rund 200 000 Bonbons. Weil die Tüten zu schwer für Menschen sind, hilft ein Kranaufzug, den Zucker in einen Riesentrichter zu schütten.
Rund vier Tonnen schluckt dieser täglich, die in einem überdimensionierten Edelstahlkochtopf landen. Wie viel von den jeweiligen Zutaten benötigt wird, entscheidet der Computer, der die Anlage steuert. Entsprechend der Bonbonart stellen die Angestellten das Programm ein. Wenn später die Sorten dazugekommen sind, die bisher noch in Italien und Finnland produziert werden, sollen in Potsdam alle zwölf Katjes-Bonbon-Sorten hergestellt werden.
In dem Behälter werden nun Glukosesirup und Zucker mit Aromen und Farbstoffen aus einer Fertigpackung nach genauer Rezeptur vermischt, die ein Mitarbeiter vorher in einem Zehn-Liter-Wassereimer angesetzt hat. Für die gerade entstehenden Granini-Multivitamin-Bonbons leuchtet die Flüssigkeit in hellem Orange.
Ist die Grundmasse, das Slurry, vermischt, wird sie gekocht – zwischen 136 und 142 Grad. Jede Sorte hat ihre eigene Temperatur, die nicht zu hoch sein darf – „sonst wird der Zucker braun“, so Kappler, der durch das zweite Tor verschwindet. Im nächsten Raum ist die Grundmasse zum ersten Mal zu sehen und zu riechen. Die Luft duftet nach heißem Orangensaft. Abgekühlt auf rund 86 Grad fließt sie aus einem dicken Rohr aufs Fließband und muss sich sofort durch einen Kunststoffschaber zwängen, der wie eine Mini-Guillotine über dem Band schwebt. Platt gedrückt kommt der zähe gelbe Stoff darunter hervor. Vier weitere Schaber falten die Masse wenige Meter weiter zusammen, dann geht es um die Ecke. Nun formen Metallrollen wie Nudelhölzer den Bonbonteig zu einer zwei Zentimeter dicken Schlange, deren flüssiger Anfang noch im Edelstahltopf brodelt.
Doch verschwindet das zuckersüße Reptil zwischen den beiden Prägeketten. Blitzschnell tackern die Bonbon-Negative aufeinander, auf der anderen Seite fallen noch warme, kleine gelbe Bonbon heraus. Sind sie auf Zimmertemperatur abgekühlt, werden sie im Raum nebenan verpackt – wieder voll automatisch.
Juliane Wedemeyer
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