
© Manfred Thomas
Von Günter Schenke: Synagogenstreit spitzt sich zu
Tumult auf Veranstaltung des Bauvereins / Joffe: „Hören Sie auf zu lügen“ / Rabbi Pressmann ausgetreten
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Innenstadt - Der Streit um die Synagoge in der Schlossstraße 1 erreichte gestern einen neuen Höhepunkt. Auf einer Veranstaltung des Bauvereins im überfüllten Hörsaal der Fachhochschule am Alten Markt prallten die gegensätzlichen Meinungen hart aufeinander. Architekt Jost Haberland zeigt das Bild vom Eingang der neuen Synagoge, auf dem Juden mit orthodoxer Kopfbedeckung zu sehen sind. „Warum macht Ihr das?“ ruft Ud Joffe sichtlich empört dazwischen. Das Abbild orthodoxer Juden passe nicht zum Entwurf, der nicht als Synagoge zu erkennen sei.
Bauvereins-Vorsitzender Horst Mentrup beteuert hingegen: „Wir bauen eine orthodoxe Synagoge, die ein Ort für alle Juden sein soll.“ Dazu sei der kompetente Rat von Rabbiner Yitzhak Ehrenberg, Mitglied beim ständigen Ausschuss der Europäischen Rabbinerkonferenz, eingeholt worden. Zum Beispiel mussten daraufhin die Sitze des ursprünglich runden Gemeindesaals nach Israel ausgerichtet werden, was einen Verlust an Plätzen zur Folge gehabt habe. An der Stelle verliert Joffe die Fassung, stampft laut mit den Füßen auf und ruft in Richtung Mentrup: „Warum lügen Sie, hören Sie doch auf zu lügen!“
Anhänger Joffes von der Betemeinschaft „Minjan Potsdam“ entrollen ein fünf Meter langes Transparent mit der Aufschrift „Potsdam baut (k)eine Synagoge.“ Zu ihnen gehört auch Rabbiner Nachum Pressmann. Noch zum Chanukkafest im Dezember in Potsdam hatte der den Neubau der Synagoge begrüßt, inzwischen ist Pressmann aus dem Bauverein ausgetreten.
Der israelische Dirigent Joffe, Gründer und Leiter der Kammerakademie Potsdam, geht mit dem Siegerentwurf von Jost Haberland hart ins Gericht. Dieser habe „nichts mit jüdischer Tradition zu tun“. Sogar die Inschrift am Tor musste Ehrenberg aus Berlin liefern“. Der Architekt habe mit einer überdimensionierten Raumplanung auf drei Etagen plus Kellergeschoss falsche Vorgaben bekommen. Der Innenraum sei nach vorn eingeengt, um das Ganze „fanatisch nach Jerusalem zu trimmen“.
Haberland hatte zuvor seinen in sich geschlossen wirkenden Architektenentwurf dargestellt. „Auf Wunsch der jüdischen Gemeinde sollte sich deren Neuanfang in der architektonischen Sprache ausdrücken. Ewgeni Kutikow , Mitglied im Vorstand, unterstrich den Wunsch, mit der Synagoge gleichzeitig ein Gemeindezentrum zu schaffen. Die 383 Gemeindemitglieder in Potsdam seien Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR. „Ohne Zuwanderer gebe es kein jüdisches Leben in Potsdam“, so Kutikow. Die Pläne für die Neue Synagoge entsprächen der Satzung der jüdischen Gemeinde, die nicht nur die Wiedergeburt des religiösen und kulturellen Lebens in der Stadt, sondern auch die Betreuung der Gemeindemitglieder festschreibe.
„Alles, was Ihnen hier vorgestellt wird, entspricht unserer Satzung.“ – der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Vladimir Genkin bestätigte nach der Veranstaltung gegenüber den PNN diese Haltung. Zum Vorwurf, die Synagoge biete nicht genug Platz, argumentiert Genkin: „Die Münchener Gemeinde hat 9000 Mitglieder und 585 Plätze in der Synagoge, also für rund 15 Leute ein Platz“. Potsdam plane für drei Mitglieder einen Platz.
Sowohl der Werkleiter des Landesbetriebs für Liegenschaften Norbert John als auch Bauvereinsvorsitzender Horst Mentrup, bekräftigten, dass die Diskussion nicht am Anfang stehe. Es seien bereits erhebliche Mittel ausgegeben worden und im Landtag stehe die Bewilligung der Baukosten bevor. „Es ist nicht möglich, alles wieder neu aufzurollen“, so Mentrup. Joffe hingegen hält den Bauverein für „fehl am Platz“ und Mentrup für „das größte Hindernis“. Bauvereinsmitglied Christan Rüss versucht, den unlösbar scheinenden Gegensatz zu entschärfen: „Wir sollten nicht ein Verfahren um des Verfahrens willen nach deutscher Art ordentlich zu Ende bringen.“ Vielmehr müssten sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen mit dem Ziel, die jüdische Gemeinde in Potsdam auf Dauer zu erhalten.
Günter Schenke
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