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Seit fünf Jahren saniert. Das äußere Erscheinungsbild des Lepsiushauses gibt schon lange Anlass zur Freude. Im Innern hapert es noch. Doch im Dezember soll es fertig sein und die lange geplante Ausstellung dort eröffnen.

© Andreas Klaer

Von Yvonne Jennerjahn: Tabulose Forschung im Lepsiushaus

Potsdam erhält mit dem Lepsiushaus eine Forschungsstätte zum Völkermord an den Armeniern

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Nauener Vorstadt - Der große Streit scheint beigelegt. Noch vor einigen Jahren wurde von türkischer Seite mit einer massiven Kampagne und diversen Drohungen versucht, das Potsdamer Lepsiushaus zu verhindern. Inzwischen ist es ruhig geworden. Der Aufbau der Begegnungs- und Forschungsstätte zum Genozid an den Armeniern und zum Wirken von Pfarrer Johannes Lepsius (1858-1926) geht voran – ohne großes Aufsehen. Im Dezember soll das Haus eröffnen.

Die Fassade der Villa am Potsdamer Pfingstberg ist bereits seit fünf Jahren fertig saniert. Doch das Innere des Hauses, in dem der evangelische Theologe gewohnt und von dem er während des Völkermords an bis zu 1,5 Millionen Armeniern im Ersten Weltkrieg sein Hilfswerk für die christliche Minderheit geleitet hat, zeigt sich wenige Monate vor der Eröffnung noch als große Baustelle.

Wo demnächst die Geschichte der Armenier, ihrer Kultur, ihrer Verfolgung im Osmanischen Reich und der internationalen Hilfen erzählt werden soll, sind die rohen Ziegelmauern zu großen Teilen noch unverputzt. Dazwischen hängen alte Tapetenfetzen von den Wänden.

Doch die Bauherren sind optimistisch. „Wir freuen uns, dass wir jetzt so weit sind“, sagt der frühere Generalsuperintendent von Potsdam und Vorstand des Lepsiushaus-Vereins, Hans-Ulrich Schulz. „Im elften Jahr des Bestehens des Vereins wird das Haus fertig“, unterstreicht auch Geschäftsführer Peter Leinemann. „Zum Jahresende wird hier das Licht angehen.“ Eine Ausstellung soll die Villa bekommen und einen Konferenzraum, eine Bibliothek, einen Arbeitsbereich für Wissenschaftler und einen Gedenkraum für den Völkermord. Landkarten über das Osmanische Reich und das Ausmaß des Armenier-Hilfswerks sollen die historischen Geschehnisse veranschaulichen. Auch die Familiengeschichte von Lepsius und sein Lebenswerk sowie das Engagement seiner Mitstreiter sollen vorgestellt werden.

„Er war ein großes Organisationstalent eines bis dahin nicht dagewesenen Hilfswerks mit humanitärem Charakter“, sagt Schulz dazu. Lepsius’ Kronzeugenschaft beim Völkermord 1915 und 1916 und seine Dokumentation der Verbrechen sollen deshalb im Mittelpunkt stehen.

Doch eine Art Lepsius-Gedenkstätte will der Verein aus dem Haus in Potsdam trotzdem nicht machen. Nicht als „Ikone“, sondern als „Kind seiner Zeit“ werde der Theologe vorgestellt, bekräftigt Schulz. „Wir wollen tabulose Forschung.“ Und dafür wird das Lepsiushaus mit etwas Einmaligem ausgestattet: Im November sollen die rund 5500 Bände der Lepsius-Bibliothek von Theologieprofessor Hermann Goltz aus Halle nach Potsdam kommen. Der Wissenschaftler, der ebenfalls im Vorstand des Vereins sitzt, hat seine privaten Bestände dem Lepsiushaus geschenkt.

„Der Kern des Ganzen ist die umfangreiche Sammlung originaler Dokumente, die nun an ihren angestammten Ort gehen“, fasst es Schulz zusammen. „Es wird ein Fundort für die Lepsius-Forschung, ein ganz bedeutender.“ Die Arbeit soll auch der Verbesserung der Beziehungen zwischen der Türkei, Armenien und Deutschland dienen. Deshalb trägt das Haus, das nach 1945 vom sowjetischen Geheimdienst KGB genutzt wurde und der Schlösserstiftung gehört, auch den Zusatz Begegnungsstätte im Namen. „Es ist keine Völkermordgedenkstätte“, betont Leinemann. Und Schulz erklärt: „Wir reduzieren die Beschäftigung mit Armenien nicht auf den Völkermord.“ Das „kulturelle Menschheitserbe“ der Armenier will er zum eigentlichen Hauptthema machen. Die Ausstellung wird deshalb mit einer Fototapete enden. Die Gäste werden durch die Räume dem heiligen Berg und Nationalsymbol der Armenier entgegengehen: Sie verlassen das Haus mit einem Blick auf den Ararat, den höchsten Berg der Türkei.

Yvonne Jennerjahn

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