Landeshauptstadt: Tag und Abend zusammenführen
Grand école als Schule des Zweiten Bildungsweges auf dem Weg zum 270-jährigen Bestehen
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Als an einem Augusttag des Jahres 1739 Potsdams neue Grande école eingeweiht wurde, war das ein Ereignis für die ganze Stadt. Dazu fanden sich „außer einer gewaltigen Menge anderer Leute auch die Herren Staabs- und anderen Offiziers von dem damaligen großen Königl. Grenadier-Regiment, die sämtliche Herren des Raths und alle Prediger ein“, berichtete Stadthistoriker Samuel Gerlach. Nach den üblichen Reden, auch von einigen Scholaren, „ward der ganze Actus mit einer schönen Musick unter Trompeten und Paukenschall beschloßen.“
Die Feier zum 270-jährigen Bestehen des ältestes Schulgebäudes in Potsdam soll der Einweihung nicht nachstehen Das kündigte Angela Hoffmann an, Leiterin der Schule des zweiten Bildungsweges „Heinrich von Kleist“, die heute den Komplex an der Friedrich-Ebert-Straße nutzt. Termin für die gemeinsam mit dem Förder- und Ehemaligenverein vorbereitete Jubiläumsveranstaltung wird erst nach den Ferien im September 2009 sein. Was dann geboten wird, verrät die Schulleiterin noch nicht, aber die bisherigen Schülerprogramme, Hoffeste und die sommerlichen Auftritte des Theaters Marameo, in diesem Jahr mit Shakespeares „Romeo und Julia“, lassen auf ein glanzvolles Fest hoffen. Mit ins Boot geholt werden soll das Helmholtzgymnasium, das aus der Großen Stadtschule hervorgegangen ist.
Vor allem möchten Angela Hoffmann und das 33-köpfige Lehrerkollegium das neue Schuljahr dazu nutzen, „Tag und Abend“ noch näher zusammenzuführen - also die 176 Tagesschüler, die bis 15 Uhr unterrichtet werden, und die 315 Abendschüler, die erst 17 Uhr beginnen. Im Vorjahr waren in dem Haus die Abendschule und das bis dahin in Teltow untergebrachte Potsdam-Kolleg für Tagesschüler, beides erfolgreiche Bildungseinrichtungen mit einer eigenständigen Schulkultur, zur Schule des zweiten Bildungsweges vereinigt worden. Damit holen hier nun fast 500 Jungerwachsene das Abitur und andere Schulabschlüsse nach. Ganz ohne Probleme und Querelen ging der Zusammenschluss nicht ab. Selbst der Name Heinrich von Kleist wurde in Frage gestellt. Dabei ist der Dichter nicht nur der meistgespielte klassische Autor auf den deutschen Bühnen, sondern war auch, erinnert Angela Hoffmann, „ein Schüler des zweiten Bildungsweges“. Mit seinem Eintritt in die damalige Große Stadtschule ließ er 1798 eine siebenjährige Laufbahn als Soldat hinter sich und suchte „einen neuen Weg zum Glücklichsein“ Der zweite Bildungsweg sei keineswegs „zweitklassig“, vielmehr für Jugendliche, deren Biographie wie die Kleists nicht geradlinig verlief, der „Königsweg“ zu höherer Bildung und besseren beruflichen Chancen.
Heute sind in dem prachtvollen, in den letzten Jahren grundlegend sanierten und restaurierten Barockgebäude, das älter ist als Sanssouci, die Gründungsprobleme weitgehend überwunden. Auch dabei war der Namengeber eine Klammer: Die Ausstellung „Annäherung an Heinrich von Kleist“, konzipiert und umgesetzt von Anne-Lena Mattigk, Martin Hohenstein und Alexander M. Prehl, Abiturienten beider Einrichtungen, ist ein Zeugnis des Zusammenwachsens.
Auf dem Weg zum Jubiläum soll es durch Schulprojekte in zahlreichen Kursen weiter gefördert werden. Keineswegs allein literaturbezogenen, denn die Schule hat ja nicht nur ihren Kleist: Einst drückten hier auch der Physiker Hermann von Helmholtz, die Naturwissenschaftler Moritz und Jacob Jacobi und der 1848er Revolutionär Maximilian Dortu die Bank. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein D
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