Landeshauptstadt: Täglicher Terror
Opfer von Mobbing wehren sich oder wechseln den Job. Jeder muss seinen persönlichen Weg finden, mit der Ausgrenzung durch Kollegen zurechtzukommen. Die Potsdamer Linguistin Rosaria Faretina führt beratend zu Lösungen.
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Opfer von Mobbing wehren sich oder wechseln den Job. Jeder muss seinen persönlichen Weg finden, mit der Ausgrenzung durch Kollegen zurechtzukommen. Die Potsdamer Linguistin Rosaria Faretina führt beratend zu Lösungen. Von Nicola Klusemann Mobbing heißt simpel Ausschluss. Es heißt aber auch für Betroffene, mit subtilen Methoden vom Arbeitsplatz verdrängt zu werden. Am Ende bedeutet dies für viele nicht nur der Verlust des Jobs, sondern auch der des eigenen Selbstwertgefühls. Leider habe in Zeiten, wo Arbeitsplätze knapp würden, der tägliche Terror in Büros und Behörden Hochkonjunktur, stellt die Potsdamer Sprachwissenschaftlerin Rosaria Faretina fest. Die Linguistin mit Lehrauftrag an der Universität Bremen hat sich fachlich dem Thema genähert und in Einzelberatungen bereits Mobbing-Opfern geholfen. Nach einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes seien die meisten Opfer von Mobbing nicht in der freien Wirtschaft, sondern überwiegend im Öffentliche Dienst zu finden. Ein Bedarf an Hilfe, der auch in der Verwaltungs- und Regierungsstadt Potsdam vorhanden sein dürfte. Faretina kennt den Prozess des Ausschlusses. Häufig werde man anfänglich von Terminen ausgeschlossen, von wichtigen Informationen abgeschnitten, schlecht oder falsch informiert. Die Kollegen reagierten ahnungslos, ließen die Vorgänge wie Zufälle erscheinen. „Mobber gehen geschickt vor“, so Faretina. Sie hinterließen keine Spuren. Rechtliche Schritte gegen die Aggressoren seien deshalb häufig aussichtslos. Betroffene kapitulierten, kündigten, suchten sich einen neuen Job. Manche wehrten sich aber auch. Wie die Lösung aussehen kann, gebe sie nicht vor, erklärt die Beraterin. Vielmehr begleite sie die Mobbing-Opfer auf dem individuellen Weg heraus aus der Misere. Wut, Ohnmacht, Tränen Wichtig sei, dass man möglichst früh erkenne, dass der Chef oder die Kollegen es auf einen abgesehen hätten. „Wir neigen einfach dazu, die ersten Anzeichen von Ausschluss zu verdrängen.“ Unterbewusst verstehe man aber die Welt nicht mehr. Die enorme Belastung hinterlasse ihre Spuren, psychische und psychosomatische Beschwerden seien die Folge. Und bedürften einer Therapie, die sie auch nicht leisten könne. In ihrer Beratungsgruppe, die Rosaria Faretina jetzt im Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrum aufbauen will, solle es zunächst um den Austausch gehen. „Zu wissen, man ist nicht allein“, könne schon ein wenig stärker machen. Für das Löschen der belastenden Ereignisse aus dem Kopf der Betroffenen bedient sich die Sprachwissenschaftlerin des Neurolinguistischen Programmierens (NLP). Das Erinnern, davon geht NLP aus, seien Verknüpfungen im Gehirn, die an Bilder, Musik, Gerüche gebunden sind. Negative Verbindungen können gelöst und ins Positive verkehrt werden, so als lösche man einen Programmteil aus dem Computer und ersetze ihn durch etwas Neues. Vor dieser Technik stünden aber in ihren Beratungsstunden Entspannungsübungen und Erfahrungsaustausch. „Mir ist klar, dass dann die Gefühle kochen.“ Wut, Ohnmacht, Rachegefühle würden hochgespült und mit ihnen Tränen. Die Gefühle müssten gewürdigt werden. Das sei ganz wichtig. Die Teilnehmer müssten sich mit sich selbst konfrontieren, sich in die Mobbing-Situation versetzen. Erst dann könnten sie eine neue Sicht auf die Dinge einnehmen, erklärt die Wissenschaftlerin. Die harte Auseinandersetzung mit den Mobbern sei einem Kriegsschauplatz vergleichbar. „Jeder muss für sich die Siegerposition herausfinden.“ Befreiende Kündigung Immer wieder betont die gebürtige Italienerin, dass sie in der Gruppe und auch in Einzelgesprächen nur die Aufgabe einer Coacherin übernehmen werde. „Ich kann keine Problemlösung vorgeben“, jeder Betroffenen muss den Weg wählen, der am besten für ihn ist. So käme für das eine Mobbing-Opfer ein Jobwechsel einer Kapitulation gleich, für den anderen sei die Kündigung der Befreiungsschlag. Mobbing sei auch eine Chance zur persönlichen Entwicklung. Infoveranstaltung zum Thema Mobbing am 20. Oktober um 18 Uhr im Sekiz, Hermann-Elflein-Straße 11.
Nicola Klusemann
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