Ordnung auf der Havel: Tanz auf dem Wasser
Die Wasserschutzpolizisten Burkhard Scholz und Rolf Heinzmann sorgen für Recht und Ordnung auf der Havel. Die neue Führerscheinregelung für Sportboote finden sie mehr als bedenklich
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Wie zwei Boxer umkreisen sich die zwei Boote. Der Wind lässt sie auf den Wellen tanzen, sodass Burkhard Scholz all sein Manövriergeschick aufbringen muss, um das etwa 15 Meter lange Polizeiboot so nah an die Motoryacht zu bugsieren, dass sein Kollege Rolf Heinzmann sie anleinen und dem Freizeitkapitän erklären kann: „Hier dürfen sie nicht ankern!“ Das Kajütboot hat in der Bucht vor der Meierei im Jungfernsee festgemacht, mitten in der Lande- und Wendezone der großen Fahrgastschiffe und des Wassertaxis. „Ein Bagatelldelikt“, sagt Polizeioberkommissar Scholz. Das „Falsch-Parken“ kostet immerhin 35 Euro.
Das Verbotsschild mit dem durchgestrichenen Anker haben noch zwei weitere Bootsführer nicht gesehen. Auch sie werden von Scholz und Heinzmann zum Tanz gebeten. Einsichtig reichen die Berliner Bootsausflügler das Ordnungsgeld über die Rehling – inklusive der Erklärung, dass es ein Versehen war.
Die Liste an Verordnungen und Vorschriften, die ein Bootsführer im Blick und im Kopf haben muss, ist so lang, dass Heinzmann sich fast schwindelig redet. Daher haben er und sein Kollege Scholz „mehr als Bedenken“, dass seit einigen Monaten junge Leute ab 16 Jahren auch 15 PS starke Motorboote führen dürfen, ohne dafür einen Führerschein haben zu müssen. Bislang war das nur bis zu 5 PS erlaubt. Zwar gebe es bislang noch keine aussagekräftige Statistik, ob sich das Unfallrisiko auf dem Wasser dadurch erhöht hat. „Aber gut finden wir es trotzdem nicht“, meutert Scholz und erklärt auch gleich warum. „Den jungen Leuten fehlt es an Ausbildung, Routine und auch Verantwortung“, doziert er. „Denn wenn man keinen Führerschein hat, muss man sich auch nicht sorgen, dass er weggenommen wird“, so seine Logik. Genauso wie sein Kollege Heinzmann plädiert er streng: „Fahrerlaubnis für alle!“
Grundsätzlich über Bord werfen wollen die beiden die Regelung aber nicht. „15 PS können auch mehr Sicherheit bringen, wenn sie als Leistungsreserve im Notfall eingesetzt werden kann“, erklärt Heinzmann. Auch lasse sich ein schweres Boot leichter manövrieren, wenn es höher motorisiert ist, was bei einer drohenden Kollision von Vorteil wäre.
Die Patrouillenfahrt beginnt an der Pirscheide, wo die Wasserschutzpolizei West ihren Dienstsitz hat. Die Havelenge, die Potsdam West und Hermannswerder von einander trennt, ist an diesem sommerlichen Samstagvormittag weiß gesprenkelt – wie im Gänsemarsch schippern die Boote durchs Wasser. „Das sieht schon richtig voll aus, viel mehr geht nicht“, meint Scholz. Die Potsdamer Havel ist für den 58 Jahre alten Polizisten seit 1980 der Arbeitsplatz. „Ich bin der Methusalem der Polizeiflotte“, scherzt er. 120 Kilometer Wasserstraße misst das Revier der Wasserschutzpolizei West – vom Jungfernsee bis Ketzin kennt Scholz jede Welle. Seit der Wende habe der Verkehr auf dem Wasser enorm zugenommen. „Die Schiffe werden immer größer und schwerer“, sagt Scholz. Von größeren Kajütbooten habe es vor 1989 auf der Potsdamer Havel vielleicht hundert Stück gegeben, schätzt Scholz. „Heute gibt es Tausende.“ Bootsvermietungen seien wie Pilze aus dem Boden geschossen, internationale Verleiher haben ihre Stationen in Potsdam. „Franzosen, Belgier, Holländer“, sagt Scholz. Hinzu kommen die Partyflöße, von denen auch an diesem Vormittag einige unterwegs sind. „Die gibt es ja in allen Formen und Größen“, meint Scholz. Die viereckigen Flöße ließen sich gar nicht so leicht steuern: „Sobald etwas Kantenwind kommt, hat der Steuermann Schwierigkeiten.“ Kollege Heinzmann macht keinen Hehl daraus, was er von den Leuten auf den Partyflößen hält: „Die sind total unvernünftig, erst recht, wenn sie Alkohol trinken.“ Die Frage, was er von 15 PS betriebenen Flößen hält, erübrigt sich.
Auf der Höhe des Kiwitt kommt der Patrouille ein kleines Motorboot entgegen. Das Bug ragt weit aus dem Wasser, der Kahn schlägt reichlich Wellen: „Der ist zu schnell“, macht Scholz mit Kennerblick den maritimen Temposünder aus. Neun Kilometer pro Stunde sind auf der Potsdamer Havel erlaubt, Tempovergehen sind teuer: Ab 3 km/h über dem Limit kann ein Bußgeld von 125 Euro fällig werden.
Vor der Speicherstadt hat die Besatzung eines anderen Polizeibootes drei junge Leute auf einem Schlauchboot gestoppt. „Och zu schnell“, vermutet Scholz und erklärt, dass gerade bei solchen kleinen Booten 15-PS-Motoren gefährlich seien. Doch ob mit 5 oder 15 oder mehr PS: „Viel Arbeit haben wir immer“, sagt Scholz. Fischwilderei, Diebstähle, Einbrüche, Unfälle – vor allem an Fährseilen, Zigarettenschmuggel, Raserei – mit dem Verkehr auf dem Wasser haben auch die Vergehen und Delikte zugenommen. „Kundschaft“, sagt Scholz, „haben wir genug.“
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