Landeshauptstadt: Tassenkopf und Tressenzimmer
Im Unteren Fürstenquartier des Neuen Palais ist die Restaurierung bereits gut vorangekommen
Stand:
Im Ovalen Kabinett des Neuen Palais bearbeitet Bernd Gutmann von einem Gerüst aus den Stuckmarmor, der den Kamin einfasst. Zwei junge Mitarbeiterinnen gehen dem Berliner Stukkateur zur Hand. Dem fast raumhohen Spiegel über dem Kamin fehlt der geschnitzte und vergoldete Rahmen. Er musste für die Erneuerung der dahinter liegenden Elekroleitungen abgenommen werden. Die Stiftungs-Elektriker um Michael Borowski haben hier die Modernisierung der Installation bereits beendet, die Kabel dabei vorwiegend durch die vorhandenen Hülsen gezogen.
An der Fensterfront sind die Balkenlagen freigelegt, die von Holzpilzen befreit und statisch ertüchtigt werden müssen. Danach kann auch der kostbare, von den Gebrüdern Spindler mit Intarsien verzierte Holzfußboden aufgearbeitet werden. Die Wand- und Deckentäfelung des Raums, wegen seiner Wölbung „Tassenkopf“ genannt, zeigt vergoldete Palmstäbe und Blumengirlanden. Sie sind in Öl gemalt und mit einer Lackschicht und späteren Übermalungen überzogen. Der Lack ist bereits frühzeitig vergilbt, spätere Retuschen führten zu einem dunkleren, fleckigen Farbbild. Da stehen wie auch bei der Reinigung und Ergänzung der Vergoldungen den Restauratoren schwierige Aufgaben bevor.
Niemand weiß das besser als Verena Göttel, die in der Restaurierungsabteilung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten den Fachbereich „Architekturfassung und Wandbild leitet. Zielsicher bewegt sie sich zwischen Gerüsten, Leitern, aufgenommenen Fußböden und abgenommenen Gemälden durch die Repräsentativräume des Unteren Fürstenquartiers, bespricht mit Restauratoren und Handwerkern den Fortgang der Arbeiten. Die Raumfolge, ursprünglich für hohe Gäste des Königs eingerichtet, soll bekanntlich bis zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen im Jahr 2012 komplett saniert und restauriert und dann wieder für das Publikum freigegeben werden. Dies wird durch großzügiges Sponsoring des US-amerikanischen World Monument Fund (WMF), der dabei auf die Stiftung des Milliardärs Robert W. Wilson zurückgreift, und der Ostdeutschen Sparkassenstiftung ermöglicht.
Als im September die Zuwendung bekannt gegeben wurde, ließ die Stiftung an den Kolonnaden ein riesiges Poster „Wir fangen an“ aufhängen. Es hängt noch immer, doch bereits nach wenigen Monaten ist die Restaurierung erstaunlich weit fortgeschritten. „Die Zeit drängt“, sagt Verena Göttel. Für die seit 1979 in Sanssouci tätige Restauratorin ist es eher ein Wiederanfang, denn in den 80er Jahren war die Wiederherstellung von zwei Räumen des Unteren Fürstenquartiers schon einmal in Angriff genommen, aber 1989 mit der „Wende“ durch veränderte Prioritätensetzung zurückgefahren worden. Dies trifft ebenso auf das Untere Konzertzimmer zu. Hier frisst der Schwamm an den Bodenbalken, während man ihm in den Wänden bereits den Garaus gemacht hat. Der gesamte Raum musste leergeräumt werden, um das Parkett zur Restaurierung aufnehmen zu können. Damit wurde der Potsdamer Holzrestaurator Harald Ruks beauftragt.
Den besonderen Schmuck des Konzertzimmers machen fünf große, Szenen aus Ovids „Metamorphosen“ darstellende Wandgemälde aus, über deren Maler sich die Kunsthistoriker bisher nicht einigen konnten. Zwei sind schon restauriert worden. Wie bereits fertiggestellte Wandflächen wurden sie mit atmungsaktiver Folie verhüllt, bis alle Arbeiten abgeschlossen sind. Für „Zephir und Flora“, „Bacchus und Ariadne“ sowie „Acis und Galatea“ steht die Restaurierung ab diesem Frühjahr bevor. Die Bilder sollen dazu in den Grottensaal gebracht werden, so dass die Touristen bei den Führungen durch das Neue Palais einen Einblick in den Fortgang der Restaurierung erhalten.
Im Tressenzimmer springt sofort die bereits restaurierte Decke ins Auge. Daran waren der Maler Jürgen Prange aus Wilhelmshorst, die Restauratorinnen Katrin Drabner, Katrin Pöhland und Iris Heide und wieder Stukkateur Bernd Gutmann beteiligt. Der Deckenfonds wurde freigelegt und neu gefasst, die Vergoldung gereinigt und gefestigt, der Stuck ergänzt. Teils mussten diese Arbeiten zeitaufwändig mit Wattebausch und Pinzette ausgeführt werden.
Obwohl im darüber liegenden Raum in künftigen Jahren noch Fußbodenarbeiten anstehen, wurde die Decke bereits in Angriff genommen. Auch hier also ein Nebeneinander von Baumaßnahmen, für die Bereichsarchitekt Volker Thiele verantwortet, und Restaurierung? „Diese Entscheidung war nicht nur aus Zeitgründen richtig“, antwortet Verena Göttel. „Die Kreidegründe und Warmleimanstriche lassen sich am besten bei Temperaturen von etwa 20 Grad aufbringen. Hätten wir diesen Sommer nicht genutzt, wären wir ein Jahr in Verzug geraten. Zudem konnte danach der Raum pünktlich leergeräumt werden, die Voraussetzung für den inzwischen abgeschlossenen Ausbau des Parkettfußbodens.“
Im Tressenzimmer geht es aber vor allem um die Tressen, die der große Friedrich so liebte. Hier hat sich in einem von nur zwei Räumen des Königsschlosses die originale Wandbespannung aus dem 18. Jahrhundert erhalten - roter, in Preußen gewebter Seidendamast, besetzt mit Goldtressen und aufgenagelten Crepinen (textilen Ornamenten). Wurden die Bespannungen meist auf die kahle Wand geheftet, besitzen sie im Tressenzimmer eine Unterlage aus Kiefernbrettern. Die aber boten Holzwürmern Nahrung, und das abgesonderte Holzmehl setzte den kostbaren Textilien zu. Wenn an den Hölzern der Hausschwamm bekämpft worden ist und die Wandflächen restauriert werden, nehmen sich ab Mai/Juni die Textilrestauratorinnen unter Fachbereichsleiterin Christa Zitzmann der Wandbespannung an.
Von Umfang,Vielgestaltigkeit, Kompliziertheit der Sanierungs- und Restaurierungsaufgaben - längst nicht alle konnten hier erwähnt werden - fast erdrückt verlässt der Laie das Fürstenquartier durch den „Stuhlgang. Aber selbst in diesem bescheidenen, schmalen und langen Vorzimmer, in dem Stühle aufgestellt waren, kann Verena Göttel auf eine Besonderheit hinweisen: Seine Ranken und Musikinstrumente darstellende Wandfassung war ursprünglich mit der seltenen, plastisch wirkenden Mordentvergoldung aufgeschmückt. Die allerdings wird sich nach mehreren Übermalungen, zuletzt in den 1950er Jahren, nicht wiederherstellen lassen. Vielmehr soll die jetzige Fassung in gereinigtem und gefestigtem Zustand gezeigt werden.
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: