Landeshauptstadt: Tausche Lehrstuhl gegen Chefsessel
IHK sorgt für neue Kontakte mit der Wissenschaft
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Ein Zettel auf dem Schreibtisch soll alles sein, was die Tauschpartner erwartet. Darauf steht der Tagesplan desjenigen, dessen Platz die Versuchsperson für einen Tag einnehmen wird. Tauschpartner sind jeweils ein Professor und jemand aus der Wirtschaft. Der Manager lehrt an der Uni, der Prof leitet unterdessen sein Unternehmen – völlig ohne Vorbereitung. „Jeder soll mal die Probleme der anderen Seite kennen lernen“, erklärt Victor Stimming, Präsident der IHK Potsdam. Dort hat man sich das Projekt ausgedacht.
Die Resonanz in Wirtschaft und Wissenschaft war positiv, nachdem der IHK-Präsident und die Wissenschaftsministerin Johanna Wanka in einem offenen Brief für das Projekt geworben hatten. Vier Tauschpaare sollen nun gebildet werden. Als erster Kandidat hat sich Victor Stimming selbst aufstellen lassen. Ist ihm schon flau im Magen, wenn er daran denkt, eine Horde Studenten unterrichten zu müssen? „Nein, ich mache mir da keine Sorgen“, sagt er. „Ich kann mir das sogar ganz gut vorstellen, zu einem Thema zu sprechen, das klar abgegrenzt ist. Bei Wirtschaftsentscheidungen sind ja in der Regel ganz verschiedene Themenkreise in eine Entscheidung einzubeziehen.“ Außerdem bilden Professor Bernd Müller-Röber von der Uni Potsdam und Ralf Zuhse von der Firma Chiracon ein Pärchen. Die anderen müssen noch ermittelt werden.
Ende Mai soll der Tausch über die Bühne gehen – als Testlauf für 2008. Ganz unvorbereitet will man die Freiwilligen aber nicht in den neuen Job entlassen. Assistenten auf beiden Seiten sollen vorab in die Planung einbezogen werden und beim Überstehen des Tages helfen. Nicht, dass der Manager auf einmal vor einem vollen Hörsaal steht, ohne zu wissen, worüber er die nächsten anderthalb Stunden dozieren soll. „Ein gewisser Überraschungsmoment ist aber durchaus beabsichtigt“, sagt IHK-Pressesprecher Detlef Gottschling, der zugibt, bei dem Projekt nicht nur die ernste Forschung im Auge zu haben. „Das ist natürlich ein populistischer Ansatz. Aber wir sind optimistisch, dass sich daraus neue Kontakte und vielleicht auch Projekte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft knüpfen lassen.“ Ohnehin knüpft das Projekt an die Arbeit der IHK als Mittler zwischen Wissenschaft und lokaler Wirtschaft an. „Eine so breite Öffentlichkeit können wir aber normalerweise damit nicht erreichen.“ Auch da hilft das Projekt Rollentausch.
Beim reinen PR-Gag soll es aber nicht bleiben. Die Tausch-Tage werden jeweils dokumentiert und anschließend durch Interviews mit den Kandidaten abgerundet. Die FH Potsdam hat sich schon bereit erklärt, das Design der geplanten Dokumentation zu erstellen. Aus den Erfahrungen will man lernen. In der Stadt der Wissenschaft sollen dann 2008 viele weitere Tauschpaare gebildet werden. Neben den Hochschulen sollen dann auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen einbezogen werden. „Wir sehen das als Beitrag zur Bewerbung der Stadt. Schließlich wird ja auch die Verbindung der Wissenschaft mit dem Alltagsleben und der Wirtschaft bewertet“, sagt Stimming. Bleibt nur zu hoffen, dass Professorinnen und Professoren nach ihrem Tag in der freien Wirtschaft auch freiwillig wieder an ihren Lehrstuhl zurückkehren – und umgekehrt. Bodo Baumert
Bodo Baumert
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