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Landeshauptstadt: Tausende Briefe als Altpapier verkauft

Briefträger-Prozess: 40-jähriger Potsdamer wegen Hehlerei verurteilt. Hauptangeklagter erkrankt

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Eine halbe Tonne Papier – grob geschätzt – brachte Frank F. zwischen Juli und September 2012 zum Altstoffhändler. Pro Kilo erhielt der 40-Jährige fünf Cent. Doch was da auf der Waage des Aufkäufers landete, waren keine alten Zeitungen, sondern Tausende Briefe – meist Info-Post – die ihre Empfänger nie erreichten. Fünf- oder sechsmal, so schätzte der Mann aus Fahrland ein, habe er sein Auto vollgeladen, pro Fuhre zwischen 25 und 50 Euro kassiert. Manchmal waren auch Kataloge oder Paketkartons dabei.

Am gestrigen Dienstag musste sich Frank F. wegen Hehlerei in 41 Fällen vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts verantworten. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung. Außerdem muss der bereits wegen zweifachen Betrugs Vorbestrafte 150 Stunden unentgeltlich arbeiten.

Neben F. auf der Anklagebank hätte eigentlich Stephan G. sitzen müssen – doch G. fehlte am Dienstag, weil er krankgemeldet war. Er bekommt demnächst seine eigene Verhandlung wegen Verletzung des Postgeheimnisses in etlichen Fällen. Der 45-Jährige soll laut Anklage im Sommer 2012 als Postzusteller 1268 Sendungen, darunter 55 Pakete, unterschlagen haben. Den Inhalt soll er häufig weiterverkauft, Artikel, die ihn interessierten, hingegen selbst behalten haben. Stephan G. war damals befristet angestellt – als Mitarbeiter des Briefverteilungszentrums Stahnsdorf. Als sich in der Garage von Frank F., der im selben Haus wie der Briefträger lebte, gelbe Postkisten stapelten, schöpfte sein Vermieter Verdacht und erstattete Anzeige. Die Polizei durchsuchte daraufhin die Wohnungen der Männer, fand Laptops, Mobiltelefone und andere elektronische Geräte. Hartz-IV-Empfänger Frank F. gab seine Beteiligung an der illegalen Papierentsorgung sofort zu. Er räumte auch ein, drei Laptops, ein Handy und einen Computer aus Paketen, die der Briefträger unterdrückte, behalten zu haben.

Frank F. und Stephan G. waren Kumpels. „Stephan sagte, kein Mensch würde sich für die Info-Post interessieren. Außerdem habe er keine Lust, an jedem Briefkasten anzuhalten“, berichtete Frank F. während des Prozesses. Und weiter: „Wenn ich die Briefe als Altpapier verkaufe, könne ich mir ein bisschen was verdienen und er habe keine Arbeit.“ Das Geld habe er verwendet, um die Grabstelle seines totgeborenen Sohnes zu finanzieren, erklärte der Angeklagte. Als ihm Stephan G. – zu dem er inzwischen keinen Kontakt mehr habe – zwei Pakete brachte, für deren Inhalt er keine Verwendung hatte, habe er zugegriffen. „Ihnen war schon klar, dass das Zeug kriminell erworben war?“, vergewisserte sich an dieser Stelle der Staatsanwalt. Frank F. entgegnete: „ Ich habe es irgendwie ausgeblendet.“ Inzwischen rechne er jeden Tag mit Schadenersatzforderungen der rechtmäßigen Besitzer.

Ursprünglich ging die Anklage davon aus, Frank F. habe gewerbsmäßig gehandelt, um sich „eine fortlaufende Einnahmequelle von einem gewissen Wert“ zu verschaffen. Für einen Sozialhilfe-Empfänger seien 50 Euro pro Monat schon eine Größenordnung. Dem hielt das Gericht entgegen, für eine derartige Bewertung könne man nicht die persönliche Situation des Angeklagten zugrunde legen. Die Erlöse, die der gelernte Motorenschlosser aus dem Verkauf der Briefe erzielte, würden „keine Einnahmen von erheblichem Umfang darstellen“, wie vom Gesetzgeber vorgegeben. Anders sähe es beim Verkauf des Inhaltes der beiden Pakete mit Elektronik aus, für die Frank F. immerhin 600 Euro erhielt. Hier sei von Gewerbsmäßigkeit auszugehen.

„Wenn auch der materielle Schaden nicht so hoch ist – der Imageschaden, der der Post entstand, ist beträchtlich“, sagte Richterin Cornelia Michalski. „Ein Bürger muss darauf vertrauen können, dass er die an ihn adressierte Post auch erhält.“ Zuletzt hatte eine Sprecherin der Deutschen Post erklärt, das Unternehmen versuche, mithilfe eines Qualitätsmanagements mögliche Unregelmäßigkeiten auszuschließen. Bei Millionen Briefen pro Tag könnten Fälle wie der aus Potsdam aber nicht ausgeschlossen werden, hatte die Sprecherin gesagt. (mit HK/dpa)

Gabriele Hohenstein

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