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Landeshauptstadt: Teenagerträume für Erwachsene

Mit Glam-Rock aus den siebziger Jahren begeisterten Sweet, Slade und T.Rex im Blauhaus

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Mit Glam-Rock aus den siebziger Jahren begeisterten Sweet, Slade und T.Rex im Blauhaus Was passiert mit den Teenagerträumen? Einige Glam-Rock-Initiatoren stellten sich diese Frage bereits im Jahre 1974, als die Glitter-Welt des Pop härteren Riffs weichen musste. Mit „Teenage Dream“, einem Schmuse-Pop-Blues in üppiger Synthesizer-Orchester-Untermalung, erreichten Marc Bolan und T.Rex die Top Twenty damals schon nicht mehr. Drei Jahre später, am 16. September 1977, starb der Leadsänger bei einem Autounfall. Von diesen schmerzlichen Erfahrungen, die das unbarmherzige Showbusiness und ein Leben als Pop-Star mit all den Verführungen mit sich bringen, waren beim Classic-Rock-Oldie-Festival am Donnerstag im Blauhaus kaum etwas zu spüren. Hits wie „Ballroom Blitz“ (The Sweet) oder „The Groover“ (T. Rex) wurden auf und vor der Bühne gefeiert, als ob es Ilja Richters „Disco“- Sendung noch geben würde. Die gelebte Vergangenheit war aber doch augenscheinlich: Keine der drei Bands konnte noch in Originalbesetzung auftreten. Autounfälle, Alkohol, Drogen: Mit ihrem kurzlebigen Erfolg als Glitzer-Star kamen die Musiker nicht zurecht, weil sie sich nicht umstellen wollten. Für T. Rex werden auch heute keine neuen Songs geschrieben, sagt der neue Sänger Rob Benson, weil all die Stücke von Marc Bolan „zeitlos“ seien. Anders als Supergruppen, wie die Rolling Stones, scheinen T. Rex ihren Lebensstil nicht grundsätzlich geändert zu haben. Im Backstagebereich des Blauhauses gibt es Bier und Kekse für die Musiker – das zumindest nicht in unmäßigen Mengen. Neues wird auch nicht erwartet. „Von diesen Bands möchten wir keine neuen Stücke hören“, sagt ein Pärchen, ganz in schwarzes Leder gekleidet, „wir wollen uns doch erinnern“. Zurück in das Jahr 1970 schickt Sänger Rob Benson das Publikum gleich zu Anfang mit dem Hit „Ride a white swan“. Benson, der schon optisch mit roter Samtjacke und einem langen Tuch, das er um das Handgelenk gebunden trägt, an die ausgehende Flower-Power-Zeit erinnert, schafft es auch stimmlich, den markanten Marc-Bolan-Gesang zu treffen. Mit flatteriger Stimme und heulendem Vibrato folgt Hit auf Hit: „Telegram Sam“, „Jeepster“, „Get it on“. Der Höhepunkt wird mit „Revolution“ erreicht. Schließlich hat der Refrain mit der Selbstbezeichnung „Children of the revolution“ seit 1989 eine ganz neue Bedeutung bekommen. Das Publikum bedankt sich mit frenetischem Beifall. Der „Herrentag“ nimmt im Blauhaus einen ganz anderen Verlauf, als sonst üblich: Hier feiern Frauen und Männer gemeinsam, tanzen, liegen sich in den Armen und denken an vergangene Zeiten. Auch The Sweet enttäuschen in der Hinsicht nicht. Nach der James-Bond-Melodie „Goldfinger“ erscheinen die älteren Herren um den Original-Gitarristen Andy Scott und legen gleich mit „Hell Raiser“ los. Nach dem Hard-Rock-Auftakt folgen die Party-Stücke aus der Feder der Songschreiber Chinn und Chapman, mit denen The Sweet ihre Karriere 1971 starteten: „Co-Co“, „Funny Funny“, Poppa-Joe“, „Wig-Wam Bam“. Im Blauhaus wird ausgelassen getanzt. Die Bewegungen der Musiker auf der Bühne dagegen halten sich in Grenzen und auf den langen lilafarbenen Lurexmantel, in dem sich Andy Scott damals oft ablichten ließ, verzichtet er, wohl aufgrund seiner jetzigen Leibesfülle. Nach den Bubblegum-Songs geht es mit „Love is like oxygen“ wieder härter zur Sache, und als das Sirengeheul ertönt, wissen die betagten Fans heute immer noch, dass jetzt „Blockbuster“ kommt. The Sweet waren, im Gegensatz zu T. Rex, nie von der Flower-Power-Bewegung, sondern mehr vom Hard-Rock beeinflusst. Deshalb gibt es zum Schluss noch eine starke Geste: Andi Scott schmeißt seine rot-weiße Fender-Gitarre im hohen Bogen in die Ecke. Hoffentlich hat der Roadie das teure Teil aufgefangen, Scott ist bekannt dafür, dass er Wert auf Perfektion legt. Bei The Slade geht es nicht um eine perfekte Musikdarbietung. Die Band, die einst als Skinheads starteten, serviert guten, alten Rock’n’Roll zum Mitgröhlen: Von „Cum on feel the Noize“ bis „Far far away“. Dave Hill und Don Powell sind als Slade-Mannen der ersten Stunde noch dabei. Leben bedeutet auch Verlust. Etwas Wehmut war bei der großartigen Stimmung im Blauhaus auch dabei.

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