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Homepage: Teilchen, die keine Teilchen sind

Jan Plefka vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik beschäftigt sich mit der String-Theorie

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Jan Plefka vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik beschäftigt sich mit der String-Theorie Jan-Oliver Schütz Zerzaustes, graues Haar, nach oben gestreckte Arme: Auf der Fensterbank Dr. Jan Plefkas steht eine kleine Plastikfigur Albert Einsteins. Plefka arbeitet am Golmer Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). Dort hat er ein kleines Büro, zur Rechten der Schreibtisch, zur Linken eine Tafel, in der Mitte das Fenster. Manchmal sitzt er dort, schaut raus in die Landschaft und die Idee, wie es nun weitergehen soll, lässt auf sich warten. „Die wirkliche Forschung läuft nicht planmäßig. Man braucht Ideen, muss viel denken“, sagt er. Plefka hat sich den großen Fragen der Physik verschrieben. „Das sind fundamentale Fragen, die unser Weltbild betreffen: Woraus ist die Welt zusammengesetzt? Warum besteht die Welt aus Teilchen?“ Wie viele Wissenschaftler am Albert-Einstein-Institut versucht auch Plefka, Antworten auf Fragen zu finden, die schon Einstein erkannt hatte. Es geht um den Widerspruch zwischen Quantentheorie und Gravitationstheorie und weit darüber hinaus. Erstere erklärt schlüssig den Bereich der kleinsten Teilchen, die zweite Theorie den Makrokosmos in der Größenordnung unseres Sonnensystems bis hin zum ganzen Universum. In sich sind beide Theorien stimmig. Doch die Wissenschaftler wissen, dass dies nicht die letztlich fundamentale Beschreibung der Natur sein kann. „Versuchen wir die Gravitationswirkung in der Quantendomäne anzuwenden, stoßen wir auf fundamentale Unterschiede. Auf sinnvolle Fragen erhalten wir unsinnige Antworten“, sagt Plefka. Das kann auch schon mal frustrierend sein. Plefka hofft, den Widerspruch mithilfe der String-Theorie zu überwinden. Die stellt unser Bild von den kleinsten Teilchen gehörig auf den Kopf: Bisher ging die Forschung wie die Schulphysik davon aus, dass sich kleine Teilchen aus noch kleineren Teilchen, wie Quarks und Elektronen, zusammensetzen. Die String-Theorie dagegen geht davon aus, dass sich alles aus so genannten Strings zusammensetzt. Die aber sind keine Teilchen, sondern fadenartige, ausgedehnte Objekte, die nur von weitem wie Teilchen aussehen. Sie existieren nicht nur in den üblichen drei Raumdimensionen und der Zeitdimension. „Wir gehen davon aus, dass nach dem Urknall nur drei Raumdimensionen an der Ausdehnung teilgenommen haben. An jedem Punkt im Raum könnten demnach sechs weitere Raumdimensionen aufgewickelt sein.“ Das hört sich abenteuerlich an, hat aber den Vorzug, dass es die Strings erklärt und zugleich auch noch den Widerspruch zwischen Quanten- und Gravitationstheorie überwindet. Die Strings sind wie kleine, vibrierende Gummiringe. Die Frequenz, auf der sie vibrieren, ergibt das Aussehen eines Teilchen, das die Physiker dann Elektron oder Quark nennen. So erklärt die String-Theorie, wie die Gravitationskraft auch im Quantenbereich enthalten ist und wirkt: „Wenn unsere Theorie stimmt, dann wäre die Gravitation mit den übrigen Naturkräften vereinigt.“ Damit wäre das letzte jener Rätsel gelöst, die Einstein den Physikern aufgegeben hat. Das Problem: Bisher konnten die Forscher noch keine Experimente machen, geschweige denn, die Gravitationskraft im Quantenbereich messen. Daher hofft auch Plefka auf die nächste Generation von Teilchenbeschleunigern. „Wenn ein Träger der Gravitationskraft in eine der übrigen Raumdimensionen abhaut, dann müsste ein Energieverlust zu messen sein“, sagt er. „Das ist nichts, was wir in der Natur bisher beobachten konnten.“ Das Standardmodell der Elementarteilchen, das Generationen von Schülern lernen, wäre damit überholt, vielmehr tiefergehend erklärt. Seit neun Jahren arbeitet Plefka an der String-Theorie mit. „Das Schöne daran ist, dass es viele Fortschritte gibt. Sonst wäre ich nicht dabei geblieben.“ Doch diese Fortschritte benötigen ständig neue Ideen. „Die kommen mir oft spätabends. Wenn meine Familie schläft, setze ich mich noch mal an den Schreibtisch. Diese Mußestunden sind sehr wichtig für meine Arbeit.“ Die Arbeit im Institut kann da schon mal etwas schleppender vorangehen – in solchen Situationen, in denen Plefka am Schreibtisch sitzt und die Ideen nicht einfach so über ihn hereinfallen. Doch einen anderen Vorteil bietet die Arbeit im Institut. „Sehr wichtig ist der Austausch mit Kollegen. Vieles wird klarer, wenn man darüber diskutiert, an der Tafel steht oder an Konferenzen teilnimmt.“ Aber auch unter der Dusche kann es zur Erleuchtung kommen. Der Großteil der Arbeit besteht aus Denken. Elementare Hilfsmittel sind – ganz traditionell – Bleistift und Papier. Für aufwändigere Rechnungen wird auch der Computer genutzt. Ganz so freiwillig scheint Plefka nicht in die Physik reingerutscht zu sein. „Ich bin familiär vorbelastet“, sagt er. Bereits sein Vater hat sich mit theoretischer Physik beschäftigt. „Das war zunächst eher eine Abschreckung. Aber als ich die erste Vorlesung in theoretischer Physik besuchte, wusste ich: das ist mein Gebiet.“

Jan-Oliver Schütz

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