Landeshauptstadt: Teilerfolg der Kitaträger-Lobbyisten
Jugendhilfeausschuss lehnt neue Finanzrichtlinie der Verwaltung ab und übernimmt Forderungen der Kitaträger fast wörtlich
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Im Streit um die geplante neue Kita-Finanzierungsrichtlinie hat das Jugendamt eine Niederlage erlitten – und die Kitaträger können einen Sieg ihrer Lobbyismus-Anstrengungen feiern: Einstimmig entschieden die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses am Donnerstagabend, die geplante neue Kita-Richtlinie abzulehnen und nahezu wortwörtlich einen Vorschlag der Liga der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege aufzugreifen – also eine Idee der großen Kitaträger in Potsdam.
Die Wohlfahrtsliga, in der etwa Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Diakonie sitzen, brachte in die Sitzung eine Wunschliste mit. Laut dem Papier sollte für das nächste Jahr die jetzt geltende Richtlinie beibehalten werden – um sie dann bis 2013 „völlig neu zu verhandeln“. Gleichwohl forderten die Träger für die noch geltende alte Richtlinie eine Aufstockung der Mittel pro Kind um 75 Euro für Vesper und Frühstück. Das bedeutet für die Stadt 975 000 Euro extra; die gesamte neue, aber abgelehnte Richtlinie hätte für die Stadt Mehrkosten in Höhe von 950 000 Euro bedeutet. Zugleich wird mit dem Festhalten an der alten Richtlinie ausgeschlossen, dass die Verwaltung mehr Kontrollrechte erhält: Das Rathaus hatte mittels der neuen Richtlinie genauer überprüfen wollen, wie die ausgereichten 50 Millionen Euro pro Jahr in den Kitas verwendet werden. In der Vergangenheit waren einige Sozialträger im Raum Berlin/Potsdam mit undurchsichtigen Finanzgeschäften in Verbindung gebracht worden – eine Wohlfahrtsorganisation etwa stand wegen zweifelhaften Beraterverträgen in den Schlagzeilen. Eine aktuelle PNN-Anfrage an mehrere Potsdamer Kitaträger zu ihrer wirtschaftlichen Situation war zuletzt ohne konkrete Antworten geblieben.
Im Ausschuss gab es keine kritischen Fragen zu den Trägern. Erneut hieß es von deren Vertretern, die mit der geplanten Richtlinie angekündigte Erhöhung der Mittel um 1,6 Prozent sei zu wenig. Schließlich übernahmen die Ausschussmitglieder die Wunschliste der Sozialträger nahezu wörtlich als neuen offiziellen Antrag des Jugendhilfeausschusses. Zugleich stimmten bei dem Beschluss Mitglieder ab, die von der Entscheidung direkt betroffen sind – etwa Marcel Kankarowisch, Chef der Diakonie, und der Stadtverordnete Claus Wartenberg (SPD), der selbst bei der AWO arbeitet. Doch auch an dieser Befangenheit nahm niemand Anstoß – juristisch ist es nach Angaben aus dem Jugendamt sogar erlaubt, dass derart Betroffene mitvotieren.
Nach der Entscheidung kritisierte Jugendbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) die Träger: Sie hoffe, „es greift nicht um sich“, dass die Träger – wie in diesem Fall – von einem Rechtsgutachten zur neuen Kita-Richtlinie sprechen, dieses aber bisher nicht an das Rathaus weitergegeben hätten. Auf Seiten der Träger hieß es zuletzt, ihr Gutachten komme zum Ergebnis, der Entwurf der Richtlinie entspreche nicht dem Landeskitagesetz und sei rechtswidrig. Doch warum, haben die Träger nicht verraten.
Abschließend muss die Stadtverordnetenversammlung über die neue Kita-Richtlinie entscheiden – in der anders als im Jugendhilfeausschuss sehr viel weniger Kitaträger-Vertreter sitzen. H. Kramer
H. Kramer
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