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DASwar’s: Tempo ist Gefühlssache

Die vergangenen beiden Wochen hatte ich einen kenianischen Läufer zu Gast. Er ist letzten Sonntag den Frankfurt-Marathon gelaufen.

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Die vergangenen beiden Wochen hatte ich einen kenianischen Läufer zu Gast. Er ist letzten Sonntag den Frankfurt-Marathon gelaufen. Philemon war im Frühjahr schon einmal in Potsdam. Da hatte ich ihm das Stadtschloss gezeigt, woran er sich diesmal wieder erinnerte und fragte, ob es denn schon fertig ist. Also sind wir zum Alten Markt gelaufen und haben es uns angesehen. „Es ist so gut wie fertig“, sagte ich. „Das ging sehr schnell“, meinte Philemon und hielt das für eine typisch deutsche Eigenschaft. Ich musste schmunzeln: Eigentlich sind es ja die Kenianer, die schnell sind, und die Weißen laufen hinterher.

Tempo ist Gefühlssache. Für mich dauerte es in den vergangenen Wochen eine Ewigkeit, ehe ich die Kreuzung von Humboldtbrücke und Berliner Straße gemeistert hatte. Während ich genervt im Stop-and-go über die Brücke schlich, genoss Philemon den Havelblick und meinte, dass es sehr zügig gehe – verglichen mit der Dauer, die man von Nairobi City zum Flughafen braucht.

Ich bin dem Verzweifeln nahe, wenn ich an der neuen Ampel stehe, die mich partout nicht von der Straße Am Neuen Garten auf die Alleestraße fahren lässt. Philemon meinte, dass sei alles sehr gut organisiert. In Kenia gibt es keine Ampeln.

Als wir gemeinsam laufen waren – durch den Neuen Garten über die Glienicker Brücke zur Pfaueninsel und zurück über den Schäferberg – war ich gefühlt auf Weltrekordkurs. Philemon meinte, es sei locker und nicht anstrengend.

Beim Kochen wiederum war mein Freund langsam. Er hatte von zu Hause Maismehl mitgebracht, mit dem in Kenia Ugali gekocht wird – ein Maisbreigericht, wie man es überall in Ostafrika kennt und das wegen der guten Kohlenhydrate eine perfekte Läufermahlzeit ist. Das Mehl wird ganz simpel mit kochendem Wasser verrührt – fertig. Philemon hat es anbrennen lassen! Weil er den Topf nicht rechtzeitig genug vom Herd genommen hat. „Das geht zu schnell", beschwerte er sich über die Funktionsweise des Ceranfeldes. Die nächsten Male hab ich Ugali gekocht.

Es waren zwei Wochen mit etlichen Erkenntnissen, dass das Gefühl für Geschwindigkeit und Zeit zwischen Deutschen und Kenianern sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Als seien es zwei verschiedene Gefühlswelten. Eine Gemeinsamkeit haben Philemon und ich allerdings am letzten Tag doch entdeckt. Als ich ihn nach Tegel gefahren habe, hat er mich gefragt, warum Berlins Flughafen so viel kleiner ist als der in Nairobi. Ich meinte, dass dies ja schon längst geändert werden soll und ein neuer Flughafen gebaut wird. Ob er denn nächstes Jahr dann dort landen wird, wollte Philemon wissen. „Ich denke nicht“, sagte ich und erklärte ihm, dass am neuen Airport schon seit sieben Jahren gebaut wird. Philemon sah mich an: „Like Nairobi!“

Peter Könnicke ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer.

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