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Aus dem GERICHTSSAAL: Teures Diebesgut

Langfinger im Schnellverfahren verurteilt: 300 Euro Strafe für ein Päckchen Zigaretten

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Dienstags und Mittwochs geht es im Saal 205 des Amtsgerichts Schlag auf Schlag. Im 15-Minuten-Rhythmus werden meist Verkehrssünder und Langfinger im beschleunigten Verfahren verurteilt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Beweislage klar und die Delinquenten geständig sind. So wie Karin K.* (52). Die Langzeitarbeitslose soll am 29. März dieses Jahres bei Kaisers in der Brandenburger Straße eine Schachtel Zigaretten im Wert von 3,41 Euro gestohlen haben. „Det is wahr, wat da steht“, kommentiert die Potsdamerin die Anklageschrift. Als Hartz-IV-Empfängerin sei das Geld knapp. Da sie stark rauche, sei am Monatsende kaum noch ein Cent im Portemonnaie. „Ick habe die Zigaretten am Automaten an der Kasse gezogen und dann in meine Jackentasche gesteckt. Dabei wurde ick erwischt.“ Und das leider nicht zum ersten Mal. 2003 wurde die zweifache Mutter wegen Ladendiebstahls zu einer Geldstrafe von 100 Euro verurteilt. „Daraus haben Sie offensichtlich nicht sehr viel gelernt“, gibt der Richter zu bedenken. „Sicher, viele Leute klauen weitaus mehr. Und normalerweise könnte man in Ihrem Fall daran denken, das Verfahren einzustellen. Mit einer einschlägigen Vorstrafe ist das allerdings nicht mehr möglich.“ Karin K. muss 15 Tagessätze zu je 15 Euro zahlen. „Wie viel ist det denn ungefähr?“, fragt die Frau verwirrt. „300 Euro“, antwortet der Vorsitzende. „Dazu kommen noch die Gerichtskosten. Die Sanktion soll Sie davon abhalten, künftige Diebstähle zu begehen.“ Die Angeklagte schluckt. Für diese Summe hätte sie locker 100 Zigarettenpäckchen legal erwerben können.

Günther G.* (67) war am 16. Februar 2006 auf Diebestour unterwegs. Der Pensionär entwendete bei Aldi im Zentrum–Ost eine Flasche Weinbrand für 3,49 Euro. „Es ist mir sehr peinlich, dass ich heute hier sitze“, gesteht der Mann. „Meine Rente reicht eigentlich immer gerade so. Aber dieser Monat war schlimm. Ich musste viele Reparaturen bezahlen.“ Als er einen Kontoauszug zog, habe er gesehen, dass er pleite sei. „Ausgerechnet vor meinem Geburtstag“, so der Angeklagte. Aus „Reflex“ habe er dann ins Regal des Discounters gegriffen. „Das war eine blöde Idee“, räumt er zerknirscht ein. „Ich schwöre, so etwas passiert bestimmt nie wieder.“ Das Gericht stellt das Verfahren auf Kosten der Landeskasse ein. „Darf ich denn da jetzt wieder einkaufen?“, will der Mann wissen. „Als die mich erwischten, wurde mir ein Hausverbot ausgesprochen.“ Der Vorsitzende rät ihm, dies an Ort und Stelle zu klären. „Wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Es gibt ja noch mehr Läden. In denen ist das Personal vielleicht netter“, tröstet sich der ertappte Dieb. (*Namen geändert.) Hoga

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