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HFF-Absolventin Maria Steinmetz hat es mit ihrem Animationsfilm auf das Filmfestival Cannes geschafft
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Maria Steinmetz ist den Trubel, den ihr Diplomfilm ausgelöst hat, noch nicht gewohnt. Manchmal stellt sie einfach ihr Telefon ab, um noch etwas Ruhe zu bekommen. Kaum zurück vom Filmfestival in Stuttgart, muss sie ihre Koffer bereits wieder packen – für Cannes. Der Diplomfilm „Der Wechselbalg“ von Maria Steinmetz ist seit neun Jahren der erste an der Potsdamer Filmhochschule HFF entstandene Beitrag, der es in die Cinéfondation von Cannes geschafft hat.
Nächsten Donnerstag wird es ernst. Dann wird sich der französische Filmemacher Michel Gondry, Jurypräsident der Sektion „Cinéfondation“ des 64. Filmfestivals in Cannes, den achtminütigen Animationsfilm „Der Wechselbalg“ von Maria Steinmetz, die im vergangenem Jahr ihr Studium an der Filmhochschule HFF abgeschlossen hat, anschauen. Das Filmfestival hat bereits am Mittwoch begonnen, die HFF-Absolventin wird in den nächsten Tagen abreisen.
Für Maria Steinmetz’ Film hat Cannes sogar dieses Jahr schon eine kleine Ausnahme gemacht. Normalerweise darf ein Wettbewerbsbeitrag auf keinem anderen Festival gelaufen sein, bevor er in Cannes zu sehen ist. „Der Wechselbalg“ war jedoch gerade mit Erlaubnis der Cinéfondation auf dem 18. Internationalen Trickfilmfestival in Stuttgart zu sehen. Und dort hat Maria Steinmetz vergangenen Sonntag auch einen Preis entgegennehmen dürfen: den „Lena-Weiss-Animationspreis für Menschlichkeit“ (5000 Euro).
Im Zweifelsfall, sagte Christina Marx, die an der HFF die Studentenfilme auf Festivals betreut, wäre die Teilnahme auf dem Trickfilm-Festival in Stuttgart strategisch wichtiger für den Film gewesen. Nun aber freuen sich sowohl die HFF als auch die Filmemacherin besonders darüber, dass es mit Cannes trotzdem noch geklappt hat. Und das, obwohl der Ton des Films noch nicht ganz fertig geschnitten war, als sich Maria Steinmetz mit „Der Wechselbalg“ bei der Cinéfondation beworben hat.
Ihr Animationsfilm, eine Mischung aus pastellfarbenem Zeichentrick und Animationsfilm, fällt sofort als außergewöhnlich auf: Die Figuren sehen mit den weiten Gewändern und weißen Strümpfen aus, als wären sie der Ikonenmalerei des 14. und 15. Jahrhunderts entsprungen. Die zentrale Figur, die Mutter, hat einen Heiligenschein um den Kopf. Aber etwas stimmt mit den Proportionen der Figuren nicht, ihre großen Oberkörper enden auf dünnen kleinen Beinchen. Ihre Gesichter jedoch tragen feine Mienen, sie zwinkern sich zu, verdrehen die Augen, schicken sich Küsschen. Die lebendig gewordenen Bilder erinnern ein bisschen an gezeichnetes Puppentheater. Dieses vermischt Steinmetz mit ganz raffinierten einfachen Details, die nur im Trickfilm denkbar sind, und die der Zuschauer nicht vergisst. Wie das große moralische Fragezeichen, das buchstäblich an der Ferse der Mutter kleben bleibt, als ihr das eigene Kind genommen und gegen ein „Wechselbalg“ ausgetauscht wird, einen dunkelhäutigen, garstigen Trollsprössling.
Das fast vergessene Märchen stammt aus der Feder der schwedischen Autorin Selma Lagerlöf und ist ebenso wundersam wie ihr bekanntester Roman „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“. Es handelt von Mutterliebe und Menschlichkeit: denn die Mutter wird alle gut gemeinten Ratschläge der Nachbarn und sogar ihres Mannes in den Wind schlagen, sie will das Trollkind am Leben erhalten. Zu Recht, denn am Ende stellt sich heraus, dass alles, was sie dem Trollkind angetan hätten, auch ihrem eigenen Kind widerfahren wäre. So aber gibt es – wie es sich für alte Märchen gehört – ein glückliches Ende, musikalisch untermalt vom Filmorchester Babelsberg.
Die in Russland geborene Maria Steinmetz zog 1995 mit ihren Eltern von St. Petersburg nach Berlin und bewarb sich 2005 an der HFF für das Animationsstudium. Seit dem Abschluss ihres Studiums arbeitet die 31-Jährige als Animationsfilmerin. In Cannes wird Maria Steinmetz Gesellschaft von zwei weiteren deutschen Filmemachern bekommen. Der ehemalige HFF-Absolvent Andreas Dresen ist mit „Halt auf freier Strecke“ in der Sektion „Un Certain Regard“ vertreten und eine junge Kollegin von der Deutschen Film- und Fehrnsehakademie Berlin (dffb) hat es mit ihrem Film „Der Brief“ ebenfalls in die Cinéfondation geschafft.
Seit 1998 werden mit dieser Sektion in Cannes Nachwuchstalente des Films gefördert. Insgesamt 16 Kurzfilme, eingereicht von Filmhochschulen aus aller Welt, konkurrieren dieses Jahr miteinander. Bei der Preisverleihung am 20. Mai werden sowohl Stipendien für die Filmemacher als auch Preisgelder von bis zu 15 000 Euro vergeben, die den Gewinnern ihre nächste Filmproduktion ermöglichen sollen. Der Sieger darf außerdem mit seinem ersten Spielfilm wieder in Cannes teilnehmen.
, ine Zimmer
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