Aus dem GERICHTSSAAL: Tod der Radfahrerin war tragisches Unglück
Hausdurchsuchung bei Fahrer brachte keine Anhaltspunkte auf akuelle Epilepsie
Stand:
Dirk D.* (40) war nicht – wie angeklagt – durch das Essen eines Sandwiches abgelenkt, als er die 69-jährige Radfahrerin Gisela G.* in der Großbeerenstraße mit seinem Mercedes-Transporter überrollte. Die Beweisaufnahme ergab: Der Unternehmer erlitt zur Mittagszeit des 13. Januar 2008 einen schweren epileptischen Anfall, wurde dadurch handlungsunfähig. Gestern sprach ihn das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei.
Die Staatsanwaltschaft ging ursprünglich von einer Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten aus. Zahlreiche Augenzeugen zeichneten allerdings das Bild eines krankheitsbedingten Fahrfehlers. In dessen Folge soll der Mann mit seinem Fahrzeug in Höhe des Bahnübergangs in einer leichten Linkskurve nach rechts von der Straße abgekommen sein, danach gegen die Schranke und die auf dem Radweg fahrende Rentnerin geprallt sein. Gisela G. wurde auf die Motorhaube des Transporters geschleudert, rutschte von dort unter das Fahrzeug. Sie verstarb wenig später im Krankenhaus an ihren schweren Verletzungen (PNN berichteten). Ersthelfer fanden den Unglücksfahrer zitternd, zusammengesackt und nicht ansprechbar auf seinem Sitz vor. Die ihm wenig später entnommene Blutprobe ergab einen Wert von Null Promille und keinen Hinweis auf den Gebrauch von Betäubungsmitteln. Dirk D. schwieg während des ersten Verhandlungstages zum Anklagevorwurf, machte auch keine Angaben, ob er unter Epilepsie leide. Das Gericht ordnete daraufhin die Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume sowie seines Fahrzeugs an. Es fanden sich allerdings weder Tabletten noch Arztrechnungen, die auf eine aktuelle Erkrankung hingedeutet hätten.
Fünf Prozent aller Menschen bekämen einmal im Leben einen epileptischen Anfall, ohne später an Epilepsie zu leiden, führte der zur Verhandlung geladene Gutachter Professor Walter Christe, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum „Ernst von Bergmann“ aus. „Epileptische Anfälle kündigen sich an. Sie müssen es aber nicht.“ Ob Dirk D. vor diesem Anfall bereits weitere erlitt, lasse sich nicht klären, da er sich in Schweigen hülle. „Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht war dem Angeklagten nicht nachzuweisen “, erklärte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft am zweiten Prozesstag. Unverschämt fand er allerdings, dass der bereits wegen zahlreicher Fahrten ohne Fahrerlaubnis, Diebstahls, Körperverletzung, Verstoßes gegen das Waffengesetz, Untreue, Unterschlagung, Beleidigung, Rauschgifthandels sowie Beihilfe zur Zuhälterei Vorbestrafte kein Wort des Bedauerns für die Familie der Getöteten fand.
Deren Angehörige waren zahlreich im Zuschauersaal anwesend. Auch sie warteten vergeblich auf eine Geste der Entschuldigung. In seinem letzten Wort versicherte Dirk D. jedoch, er habe bewusst das Ergebnis der Beweisaufnahme abgewartet. Er sei nunmehr zu einem Gespräch mit den Hinterbliebenen bereit. „Es war ein tragischer Unglücksfall, den mein Mandant auch bedauert“, betonte Rechtsanwalt Alexander Kleinert. Dass sich Dirk D. während der Verhandlung nicht „zur Sache“ geäußert habe, sei sein gutes Recht als Angeklagter. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga
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