Aus dem GERICHTSSAAL: Tod nach Fenstersturz
Bauunternehmer trotz zweier Plädoyers auf Freispruch zu 6000 Euro Strafe verurteilt
Stand:
Der Staatsanwalt plädierte auf Freispruch. Er sah keine Sorgfaltspflichtverletzung des Angeklagten. Der Verteidiger schloss sich dem Antrag an. Amtsrichter Thomas Lange verurteilte den Bauunternehmer Holger B. (43) gestern allerdings wegen fahrlässiger Tötung des geistig behinderten Frank W. zu einer Geldstrafe von 6000 Euro. „Es ist bedauerlich, wenn jemand so stirbt, der ohnehin schon relativ schwach in der Welt da steht“, betonte der Vorsitzende sichtlich bewegt.
Frank W. (47) war am 25. Juni 2007 mit Reinigungsarbeiten im dritten Stockwerk der sogenannten Schauspielerkaserne in der Posthofstraße betraut worden, die von besagtem Unternehmer saniert wird. Statt – wie angewiesen – ausschließlich die der Straße zugewandten Räume zu säubern, begab er sich in ein Zimmer des rückwärtigen Teils des historischen Gebäudes. Dort entfernte er vermutlich die unzureichende Schutzvorrichtung vor einer leeren Fensteröffnung, um Schutt nach draußen zu entsorgen.
Ein zufällig vorbeikommender Passant hatte am ersten Verhandlungstag ausgesagt, der Mann habe offenbar einen großen Holzklotz aus dem bodentief vergrößerten Fenster werfen wollen. Dieser habe sich in seiner Hose verfangen, den Arbeiter in die Tiefe gerissen. Frank W. starb wenig später an seinen schweren Verletzungen.
Holger B. und zahlreiche im Prozess gehörte Mitarbeiter versicherten, man hätte Frank W. seine geistige Behinderung nicht angemerkt. Er habe lesen und schreiben können, am liebsten über Fußball geredet. „Er konnte den Bezinrasenmäher betanken und ihn bedienen“, so der Angeklagte. Zudem sei er des öfteren auf Baustellen mit Hilfsarbeiten beschäftigt worden. Nie habe es irgendwelche Probleme gegeben.
Die ehemalige Leiterin der Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte Heidi Sch. (68) zeichnete gestern allerdings ein etwas anderes Bild des tragisch ums Leben Gekommenen, der in der Nachbarschaft wohnte. „Er hatte einen Schwerbehindertenausweis mit der Kennzeichnung H. Das bedeutet hilflos, quasi den höchsten Grad einer geistigen Behinderung.“
Frank W. habe zwar alleine gewohnt. Seine Tante habe aber ständig nach dem Rechten geschaut, ihm immer gesagt, was er zu tun und zu lassen hatte. Sie habe auch seine finanziellen Dinge geregelt. „Hatte er Geld in der Hand, dann hatte er es im nächsten Moment auch schon ausgegeben. Er war auch nicht in der Lage, alleine zu Ämtern zu gehen. Da kam er immer zu uns“, berichtete die Zeugin.
Ein behinderter Arbeitnehmer müsse beaufsichtigt werden, stellte ein Mitarbeiter des Landesamtes für Arbeitsschutz vor Gericht klar. Zudem seien die Fensteröffnungen der Schauspielerkaserne nicht vorschriftsmäßig gesichert gewesen. Dem widersprachen die Architektin sowie der zuständige Sicherheitskoordinator für das Bauvorhaben in der Posthofstraße.
„Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen auf Baustellen gefährden übrigens nicht nur behinderte Menschen“, so Richter Lange. Nach seiner Überzeugung sei Holger B. „nicht ohne Schuld“ am Tod von Frank W. Hoga
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