Aus dem GERICHTSSAAL: Tödliche Unaufmerksamkeit
Nach Unfalltod einer Frau Bewährung für Raser / Variante des Wettfahrens in Werder nicht bestätigt
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Aus dem GERICHTSSAALNach Unfalltod einer Frau Bewährung für Raser / Variante des Wettfahrens in Werder nicht bestätigt Werder – Das Jugendschöffengericht geht von Unaufmerksamkeit aus. Der Verteidiger spricht von einem Augenblicksversagen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet auf fahrlässige Tötung. Sebastian B. auf der Anklagebank weiß nur noch, dass er am 9. Dezember 2003 – wenige Tage vor seinem 19. Geburtstag – in einer langgezogenen Linkskurve der Kemnitzer Chaussee in Richtung Kemnitz plötzlich die Gewalt über seinen Opel Astra verlor. „Ich habe noch versucht zu reagieren“, so der Konstruktionsmechaniker. Dass er mit mindestens 98 Stundenkilometern in einen Güllewagen im Gegenverkehr krachte, eine am äußersten Straßenrand fahrende Radlerin touchierte, die durch die Wucht des Aufpralls ihr Leben verlor, realisierte Sebastian B. erst später. Seitdem befindet er sich in psychologischer Behandlung. „Ich kann gar nicht sagen, wie leid mir der Tod der Frau tut“, erklärt der Werderaner leise. An jenem Nachmittag sei er von der Arbeit gekommen, habe sich gut gefühlt. „Ich kannte die Strecke und hatte auch schon genügend Fahrpraxis.“ Vielleicht gab Sebastian B. seinem 125 PS starken Sportmodell in der 70er-Zone aus Übermut die Sporen? Ein Kriminalbeamter, der zu dieser Zeit ebenfalls unterwegs war, erinnert sich im Zeugenstand: „Ich überholte die Radfahrerin. Im selben Moment kamen mir in der Kurve zwei Pkws entgegen, die sich offenbar ein Rennen lieferten.“ Er habe noch gehupt, um die Raser zu warnen. „Das erste Fahrzeug bremste unvermittelt stark ab, brach mit dem Heck aus und rutschte in einen entgegenkommenden Lastwagen.“ Die Kollision mit der Radfahrerin habe er nicht gesehen, der am Boden liegenden 66-Jährigen dann aber sofort Erste Hilfe geleistet, berichtet der Beamte. Der mutmaßliche Rennpartner Oliver S. (21) bestreitet die Wettfahrt-Variante entschieden. „Wir sind uns mit unseren Autos zufällig begegnet. Sebastian hat mich überholt. Dann versuchte er, einem Lkw in der Kurve auszuweichen. Dabei muss er voll in die Eisen gegangen sein. Ich sah bloß noch eine Riesenstaubwolke.“ Güllewagen-Fahrer Andreas M. (31) kann sich an zwei dicht hintereinander fahrende Autos nicht erinnern. „Allerdings hatte der Angeklagte aus meiner Sicht mindestens 120 Stundenkilometer drauf. Als er mich und die Radfahrerin sah, ist er richtig erschrocken. Dann hat er eine Vollbremsung hingelegt.“ Besagte Kurve sei kein Unfallschwerpunkt, so Detlef B. (46) von der Polizeiwache Werder. „Zum Zeitpunkt des Unfalls um 15.38 Uhr herrschte trockenes, sonniges Winterwetter.“ Sebastian B. – sichtlich unter Schock stehend – habe weder Alkohol noch Drogen konsumiert. Der Kfz-Sachverständige betont, der Lkw-Fahrer hätte keine Chance gehabt, die Kollision mit dem Opel zu verhindert. Danach sei der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit zwischen 82 und 87 Stundenkilometern mit der Radlerin zusammengestoßen. „Sie waren eindeutig zu schnell unterwegs“, konstatiert die Vorsitzende des Schöffengerichts und verurteilt den bislang nicht Vorbelasteten zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, ausgesetzt zu zweijähriger Bewährung. Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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