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Aus dem GERICHTSSAAL: Tödlicher Fenstersturz eines Behinderten

Bauunternehmer soll Sicherheitsvorschriften verletzt haben / Urteil voraussichtlich am 8. Juni

Stand:

Ein Potsdamer Bauunternehmer steht seit gestern wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft bezichtigt Torsten T. (43, Name geändert), am 25. Juni 2007 einen geistig behinderten Hilfsarbeiter mit Reinigungsarbeiten im dritten Stock der so genannten Schauspielerkaserne in der Posthofstraße – sie wurde zu jener Zeit saniert – beauftragt zu haben. Der 47-jährige Frank W. soll die unzureichende Schutzvorrichtung vor einem Fenster entfernt haben, um Schutt durch die Öffnung zu entsorgen, dabei in die Tiefe gestürzt sein. Er verstarb wenig später im Klinikum „Ernst von Bergmann“ an seinen schweren Verletzungen.

„Wir sind angehalten, Behinderte einzustellen. Und jetzt fällt mir das auf die Füße“, erklärte Torsten T. zu Prozessbeginn. Dabei habe Frank W. auf ihn keinesfalls den Eindruck eines geistig stark Eingeschränkten gemacht. Er sei ein langjähriger verlässlicher Kollege gewesen, ruhig und nett. „Man konnte sich mit ihm über alles unterhalten. Am liebsten sprach er über den SV Babelsberg 03.“ Frank W. habe an sämtlichen Arbeitsschutzbelehrungen teilgenommen, dies durch seine Unterschrift bekräftigt. Er könne nicht nachvollziehen, wie es zu dem tragischen Unfall kommen konnte, so der Angeklagte. In der Tat sollte Frank W. lediglich die der Straße zugewandten Räume des historischen Gebäudes reinigen, den Schutt aber nicht selbst entsorgen. Das bodentief vergrößerte Fenster, aus dem er stürzte, gehörte jedoch zu einem Zimmer der Hofseite.

Jan D. (39) wartete am Morgen besagten Tages in unmittelbarer Nähe des Sanierungsbaus. Er bemerkte im dritten Stock einen Mann mit Schubkarre, der „irgendwelche Gegenstände“ durch die Öffnung auf den Hof warf. „Plötzlich hatte er einen großen Holzklotz vor der Brust und wollte ihn rausstoßen. Der muss sich in seiner Hose verhakt und ihn dann kopfüber rausgezogen haben“, mutmaßte der Augenzeuge des schrecklichen Geschehens. „Die Fensteröffnungen waren in Knie- und Brusthöhe mit Streben gesichert, die verkeilt wurden. Die hätte man nur mit Gewalt entfernen können“, berichtete der Maurer Michael R. (45). „Ich habe die Sicherheit noch am Vorabend kontrolliert“, ergänzte Udo T. (41) im Zeugenstand. Als Polier hatte er Frank W. am Morgen des Unglückstages die Arbeit zugewiesen. „Er sollte den Dreck zu Haufen zusammenfegen. Mehr nicht“, stellte er klar.

Frank B. (58), Mitarbeiter des Landesamtes für Arbeitsschutz, betonte, die Fensteröffnungen seien keineswegs ausreichend gesichert gewesen. „Die eingesetzten Balken hätten durch einen kurzen Schlag mit dem Schippenstiel entfernt werden können. Der Verschluss der Öffnung entsprach auch am Tag nach dem Unfall absolut nicht den bautechnischen Erfordernissen.“ Zudem habe er bei seiner Kontrolle der Baustelle – deren Beginn wurde dem Amt übrigens nicht fristgemäß angekündigt – weder den Bauleiter noch einen Sicherheitskoordinator angetroffen, um weitere Mängel umgehend abstellen zu können. „Ein behinderter Beschäftigter muss beaufsichtigt werden. Ob der später tödlich Verunglückte seine Arbeit richtig ausführte, hat niemanden interessiert“, kritisierte der Amtsmitarbeiter. Die Verhandlung wird am 8. Juni fortgesetzt. Dann soll auch das Urteil gesprochen werden. Hoga

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