Landeshauptstadt: Tödlicher Messerstich nach Streit
Landgericht verhandelt seit gestern gegen 32-jährigen Potsdamer
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Landgericht verhandelt seit gestern gegen 32-jährigen Potsdamer AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Glaubt man den Ausführungen von Marco S. (32), dann war der Messerstich mitten ins Herz seines besten Kumpels ein tragischer Unglücksfall. Er habe sich das Tatwerkzeug von der Schrankwand gegriffen, um den angetrunkenen und aggressiven Mike in seine Schranken zu weisen und ihn aufzufordern, seine Wohnung in der Waldstadt zu verlassen, so der Arbeitslose. Doch der Freund habe sich auf ihn gestürzt. „Ich habe meine Hände hochgerissen, um mich zu schützen.“ Dabei müsse er Mike versehentlich mit dem großen Küchenmesser getroffen haben, vermutet der Angeklagte vor dem Landgericht. In der Folge sei Mike rückwärts über die Schwelle der geöffneten Balkontür gestolpert, mit dem Kopf gegen die Brüstung geschlagen. „Ich dachte zuerst, er ist wegen des Sturzes ohnmächtig“, berichtet Marco S. Als er und zwei weitere ebenfalls in der Einraum-Wohnung Anwesende den Leblosen zurück ins Wohnzimmer trugen, bemerkten sie unter dessen hochgerutschtem T-Shirt eine kleine Stichwunde. „Sie sah überhaupt nicht gefährlich aus“, meint der Angeklagte. Doch Mike ist tot, gestorben an der schweren Verletzung. Die 15 Zentimeter lange Klinge des Küchenmessers durchbohrte seine linke Herzkammer. Die Staatsanwaltschaft legt Marco S. Totschlag zur Last. Seit dem 4. Oktober 2003, dem Tatabend, befindet er sich in Untersuchungshaft. Sichtlich betroffen erinnert sich der Ungelernte an jene denkwürdigenMomente. Er habe mit Mike und zwei weiteren Bekannten Musik gehört, ein paar Bierchen getrunken. Irgendwann habe das spätere Opfer zu stänkern begonnen, sei aggressiv geworden. Als er einen Streit zwischen einem seiner Gäste und Mike schlichten wollte, habe sich dieser auf ihn gestürzt, ihn durch die gesamte Wohnung geschubst, erzählt der Angeklagte. „Plötzlich lag da dieses Messer.“ „Beim Betreten des Raumes hatte ich das Gefühl, es hat Ärger gegeben“, betont Jens H. (33) im Zeugenstand. Der Steinsetzer wohnt Tür an Tür mit dem Angeklagten, wurde von diesem zu dem Trinkgelage eingeladen. „Während ich eine Zigarette rauchte, hörte ich, wie sich Marco und Mike irgendwelche Wörter um die Ohren hauten. Dann sah ich, wie Marco zutrat und Mike über die Schwelle flog.“ Als dieser reglos liegen blieb, habe er den Wohnungsinhaber aufgefordert, den Rettungswagen zu rufen. Ein Messer habe er nicht bemerkt. „Warum haben Sie bei diesem Notruf erklärt, es habe eine Messerstecherei gegeben?“, fragt der Vorsitzende der 1. Großen Strafkammer, Dr. Frank Tiemann, den Angeklagten. Der beteuert, er habe dem Arzt nur Beine machen wollen, da sein Freund nicht mehr atmete und sie mit der Reanimierung überfordert gewesen seien. Sven J. (22), arbeitsloser Kumpel des Angeklagten, erinnert sich an einen „beiderseitigen Schlagabtausch“ der Kontrahenten. „Es begann damit, dass Mike dem Marco eine Backpfeife gab. Dann schlugen beide mit Fäusten aufeinander ein. Schließlich trat Marco den Mike gegen den Oberkörper. Er stolperte und fiel plump nach hinten um.“ Ein Messer will auch er nicht bemerkt haben. Die Verhandlung wird am 1. April mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt.
Gabriele Hohenstein
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