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Aus dem GERICHTSSAAL: Tödlicher Streit in der Charlottenstraße

Angeklagter zeigte sich geständig / Augenzeugin muss von der Polizei vorgeführt werden

Stand:

War es Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag? Das Schwurgericht geht dieser Frage derzeit in sechs Verhandlungstagen nach. Im ersten Fall würde Richard S. (30) eine Freiheitsstrafe zwischen drei und 15 Jahren erwarten. Bei Totschlag beginnt die Mindeststrafe bei fünf Jahren. Die schärfste Sanktion liegt ebenfalls bei 15 Jahren. „Kommen wir allerdings zu der Ansicht, dass es sich um einen minder schweren Fall handelt, verringert sich der Strafrahmen bei beiden Verbrechen auf ein bis zehn Jahre“, führte Kammervorsitzender Frank Tiemann gestern zu Prozessbeginn aus. „Ein Geständnis wirkt auf jeden Fall strafmildernd“, riet er dem Alkoholiker auf der Anklagebank.

Die Tat ereignete sich bereits in der Nacht des 4. Juni 2007. Nach einem Streit soll Richard S. im Zustand verminderter Schuldfähigkeit seinem Nachbarn Frank Bl. (40) in einer Wohnung der Charlottenstraße mehrere Messerstiche in den Bauch versetzt, danach den Rettungswagen alarmiert haben. Der ebenfalls Alkoholabhängige wurde im Klinikum „Ernst von Bergmann“ notoperiert. Er verstarb allerdings eine Woche später an einem Herzstillstand, der durch ein Entzugs-Delirium hervorgerufen wurde. Der Tod des Mannes – so die Anklage – stehe in kausalem Zusammenhang zu dem Messerangriff.

Auch Erika B. (52), um deren Person sich die handfeste Auseinandersetzung gerankt haben soll, ist Trinkerin. Einst war sie kurz mit Richard S. liiert. Zur Tatzeit lebte die Frau mit Frank Bl. zusammen. Der soll sie nach Ansicht des Angeklagten wiederholt vergewaltigt haben. Als Richard S. an jenem Abend an der Tür von Erika B. klingelte, hatte er bereits ausreichend Alkohol konsumiert. Auch die Frau und Frank Bl. waren nicht mehr nüchtern. „Er wollte sie sexuell belästigen, hat ihr die Hose und den Slip zerrissen. Da bin ich dazwischen gegangen“, berichtete der Angeklagte. Erst habe er sich mit Frank Bl. geschubst und geboxt, dann plötzlich das Steakmesser mit der 11,5 Zentimeter langen Klinge in der Hand gehabt und drei oder viermal zugestochen. „Ich wollte ihn nicht töten, nur verletzen“, beteuerte der Hartz IV-Empfänger.

Bei der Polizei gab Erika B. fälschlicherweise an, sie habe sich mit dem Messer gegen ihren Lebensgefährten Frank Bl. gewehrt. Wieso sie log, konnte gestern nicht erhellt werden. Trotz ordnungsgemäßer Ladung blieb die Potsdamerin dem Gericht fern. Der Kammervorsitzende verhängte 120 Euro Ordnungsgeld gegen die Säumige, ordnete zudem ihre sofortige Vorführung durch die Polizei an. Die schlug leider fehl. Ihre Wohnung in der Charlottenstraße war verschlossen, der Briefkasten aber geleert. „Mein Mandant sagte mir gerade, seitdem der Verhandlungstermin feststeht, hat er Erika B. nicht mehr gesehen“, warf Rechtsanwalt Matthias Schöneburg ein. „Er hat aber gehört, dass sie sich mit einigen Polen in einem Abbruchhaus in der Pirschheide aufhalten soll.“

„Den Getöteten können wir zum Tatablauf nicht mehr befragen. Daher wird seine polizeiliche Zeugenvernehmung verlesen“, beschloss der Vorsitzende. Die Beamten suchten Frank Bl. am 5. Juni 2007 im Bergmann-Klinikum auf. Da beteuerte er, nicht mitbekommen zu haben, wer ihm die Stiche versetzte. Er gestand allerdings, der Frau den Slip aus Wut zerrissen zu haben, weil sie ihn wieder einmal als Mörder und Kinderschänder bezeichnet hätte.

Der Prozess wird am Donnerstag mit der Zeugenvernehmung fortgesetzt. Mit einem Urteil ist voraussichtlich am 19. März zu rechnen. Hoga

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