Aus dem GERICHTSSAAL: Tödlicher Sturz vom Gerüst
Geldbuße für Firmenchef / Mitschuld des Bauarbeiters
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Standfest war das Gerüst auf der Baustelle im Bornstedter Feld, aber das ist so ziemlich das Einzige, was man an Positivem sagen kann. Am 17. Dezember 2010 – dem Tag, an dem der 23-jährige Thomas B. aus vier Metern kopfüber in die Tiefe stürzte und noch an der Unfallstelle verstarb – fehlte der in Kniehöhe vorgeschriebene Seitenschutz vollständig, zudem das Bordbrett, ein Zwischenholm im oberen Bereich und eine Leiter zwischen der zweiten und dritten Gerüstetage. Am Dienstag musste sich Toby P. (36), Arbeitgeber des Verunglückten, wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem Inhaber einer Hochbaufirma vor, gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen zu haben. Doch auch den Verstorbenen treffe eine Mitschuld, konstatierte Amtsrichterin Kerstin Nitsche nach Abschluss der Beweisaufnahme. Das Verfahren gegen Toby P. wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 1200 Euro eingestellt.
An jenem Tag sollte Thomas B. etwas Ordnung in dem wegen des Wintereinbuchs verlassenen Rohbau Orwille-Wright-/Fritz-Enke-Straße schaffen, ließ der Verteidiger im Namen seines Mandanten erklären. Das mit Schnee und Eis bedeckte Gerüst sollte der Baufacharbeiter auf keinen Fall betreten. Alle Arbeiten hätten von innen erledigt werden können. Wieso der 23-Jährige dennoch die Rüstung erklomm, die fehlende Leiter durch eine Holzpalette ersetzte, von der er offenbar abrutschte, ließ sich nicht mehr klären. Sicher ist, dass er neben diversen Arbeitsschutzbelehrungen auch eine Checkliste zum Benutzen von Gerüsten unterschrieben hatte.
Folgt man dem Übergabeprotokoll der separaten Gerüstbaufirma, so war die Rüstung im Oktober 2010 völlig in Ordnung. Auch dem Angeklagten fiel nichts Ungewöhnliches auf, als er die Baustelle drei Wochen vor dem Unfall besuchte. Thomas B. hätte die Pflicht gehabt, ihn von den Mängeln in Kenntnis zu setzen, erklärte Firmeninhaber Toby P.
Silvia L. (36) vom Landesamt für Arbeitsschutz kritisierte die damaligen Zustände auf der Baustelle, die den Bauherrn lediglich 150 Euro Buße kosteten. So habe es keinen Sicherheitskoordinator gegeben. Erst nach dem Todessturz sei ein Architekt benannt worden, der dessen Aufgabe wahrnimmt. „Der Nachweis über die Freigabe des Gerüsts muss vor Ort vorliegen. Das war hier nicht der Fall“, erinnerte sich die Angestellte. Trotz offensichtlicher Mängel habe der übergeordnete Bauleiter das Übergabeprotokoll unterschrieben. Wäre der vorgeschriebene Seitenschutz vorhanden gewesen, hätte der tragische Unfall von Thomas B. verhindert werden können. Und hätte der Angeklagte dafür gesorgt, dass der Arbeiter nicht alleine auf der Baustelle war, hätte ihm vielleicht noch geholfen werden können. Hoga
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