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Entscheidend. Feinheiten im Spielgeschehen interessieren die Forscher.

© dpa

Homepage: Tore schießen müssen die Spieler noch selbst

Das Potsdamer „Institut für Spielanalyse“ systematisiert Methoden der Spielauswertung für Mannschaftssportarten

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„Wenn wir das Spiel analysieren, ist die Situation offen“, stellt Karsten Görsdorf fest. Der Sportwissenschaftler beschreibt, wie er mit Spielern und Trainern zusammenarbeitet. Fernseh- und Videoaufzeichnungen sind dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Das „Institut für Spielanalyse“ in Potsdam befasst sich mit allen Bereichen, in denen ein Ball eine Rolle spielt. Die Spiele der Bundesliga, aber auch Handball, Volleyball oder Hockey taugen für die Auswertung. Häufig mithilfe einer Aufzeichnung, gelegentlich aber auch schon während des Spiels versuchen Görsdorf und sein Partner Christoph Dreckmann herauszubekommen, was besser laufen könnte und wo die Stärken und Schwächen der Spieler und der Mannschaft liegen. Der Sportwissenschaftler Görsdorf promovierte mit einer Arbeit über die qualitative Spielbeobachtung beim Handball. Danach entschied er sich Unternehmer zu werden. Mithilfe eines Gründerstipediums und der Universität Potsdam gelang das.

Zusammen mit den jeweiligen Spielern entdecken Dreckmann und Görsdorf im jeweiligen Spielgeschehen die Feinheiten, die dem Trainer oder den Spielern in der Hitze der Spiels möglicherweise entgangen sind. „Der Trainer oder die Trainerin hat dazu auch oft gar keine Zeit“, stellt Görsdorf fest. Beim 1. FFC Potsdam würden rund 20 Spielerinnen das runde Leder bolzen, da habe der Trainer selten Gelegenheit für eine tiefer gehende Betrachtung der einzelnen Spielmomente.

Als Görsdorf und Dreckmann das Institut im Jahre 2010 gegründet haben, waren es zunächst einmal Potsdamer Sportklubs, die etwas genauer wissen wollten, was auf dem Spielfeld passiert: der 1 FFC Turbine Potsdam, der VFL Potsdam, der SC Potsdam Damen Volleyball. „Die Mittelfeldspielerin hat eine andere Sicht auf das Spiel als die Stürmerin. In Kleingruppen können dann die einzelnen Positionen und Spielzüge betrachtet werden“, erklärt Görsdorf.

Durch die Genauigkeit im Detail und die wissenschaftliche Herangehensweise unterscheide sich die Betrachtungsweise der beiden promovierten Wissenschaftler von der üblichen Herangehensweise eines Trainers. „Aber wir können nie sagen, dass ein Tor gerade deshalb gefallen ist, weil wir vorher eine Spielanalyse gemacht haben. Schießen müssen die Spieler“, schränkt Görsdorf ein. Hilfreich bei der Unternehmensgründung war die Unterstützung des Universitätsnetzwerkes ‚exist’. Aber auch der Mut, unkonventionelle Methoden zu ergreifen, kann Jungunternehmer voranbringen. In einem Video schildert Görsdorf, wie er forsch beim DFB-Pokalfinale auf den Trainer Felix Magath zugegangen ist und ihm die Dienste des Instituts angeboten hat. Es klappte unmittelbar. Der Sportler rief den Wissenschaftler noch in der S-Bahn an. Eine Zusammenarbeit entstand.

Entscheidend bei der Unternehmensgründung sei, selbstständig arbeiten zu wollen und sich auch dann durchzubeißen, wenn einmal nicht alles glatt laufe, erklärt Görsdorf. Netzwerke aufzubauen sei der Schlüssel zum Erfolg. Nur wem es gelinge, einen Draht zu potenziellen Auftraggebern zu finden, der sei in der Lage, ein neues Unternehmen zu positionieren. Denn als das Institut startete, habe es zwar diverse wissenschaftliche Analysen zu Spielen und Spielverhalten gegeben, aber die Art, mit der Görsdorf und Dreckmann das Geschehen auf dem Feld nun sezieren wollten, war neu. „Ihr seid zu früh“, war eine der Antworten auf das Angebot der beiden Entrepreneure an die Sportklubs.

Dennoch schafften die Sportwissenschaftler es, Handballklubs davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist, den Aktionsradius von Rückraumspielern und Kreisläuferinnen gründlich unter die Lupe zu nehmen. In Analyse und Intervention, Coaching und Scouting, Controlling und Softwareentwicklung gliedern sich nun die Instrumente, mit denen das Institut, das gerade in neue Räume in der Charlottenstraße umzieht, eine systematische Spieluntersuchung betreibt. Auch die Lernumgebung entsprechend zu wählen sei sinnvoll, um die kognitive Beanspruchung zu steigern, erklärt Görsdorf. Im Trainingszentrum wird eben genauer hingeschaut als auf der Couch vor dem Fernseher.

Gegenwärtig sei das Institut allerdings eher mit „Veredelung“ von Daten aus dem jeweiligen Spielgeschehen beschäftigt, schränkt Görsdorf ein. Der aufgezeichnete einzelne Moment eines Handball- oder Fußballspieles generiere eine Vielzahl von Daten. Hieraus diejenigen zu filtern und darzustellen, die entweder die Mannschaft weiterbringen oder den Zuschauer am Fernseher interessieren, ist eines der Arbeitsfelder des Institutes. „Wenn Grafiken und Tabellen im Fernsehen erscheinen, muss das ja jemand aufbereitet haben“, erklärt der Mittdreißiger, der selbst Leistungsschwimmer ist. Richard Rabensaat

Das Institut im Internet:

www.spielanalyse.org/

Richard Rabensaat

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