Von Petra Görlich: Trainerstuhl statt Planungsbüro
Jördis Schmidt absolvierte an der Universität ein Geoökologie-Studium mit für sie selbst unerwartetem Ausgang
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Müßiggang ist ihre Sache nicht. Wenn sie etwas macht, dann richtig. Jördis Schmidt ist eine, die sich einsetzt, Verantwortung übernimmt, sich auch mal gegen Widerstände durchsetzt. Beste Vor aussetzungen also, um berufliche Meriten zu erlangen. In welchem Bereich dies einmal passieren soll, steht für die junge Frau schon in den Jahren am Potsdamer Humboldt-Gymnasium fest. Es sind die Naturwissenschaften, die ihr Interesse geweckt haben.
Besonders die Leistungsfächer Biologie und Geografie fesseln Jördis Schmidt. Im an der Universität Potsdam angebotenen Studiengang „Geoökologie“ sieht sie schließlich die Chance, „die Naturwissenschaften auszuleben“. Gleich nach dem Abitur beginnt das Studium. Ziemlich schnell ist klar, dass die Landschaftsplanung ein Gebiet ist, das eine berufliche Perspektive darstellen könnte. Doch es kommt anders. Ganz anders. Trotz guter Leistungen und großen Engagements.
„Es war zunächst mein Ziel, später in einem Ingenieur- oder Planungsbüro zu arbeiten“, erinnert sich die heute 26-Jährige. „Die nach dem Grundstudium gewählte Vertiefung Umweltplanung und Ressourcenschutz schafft dafür beste Grundlagen.“ Auch das im Hauptstudium integrierte Pflichtpraktikum dient ihr als Möglichkeit, das vorhandene Wissen zu vervollkommnen. Dass dies allein jedoch nicht ausreichen würde, stellt sich bald heraus. Kellnern und Spargelverkauf füllen zwar die Kasse, bringen aber auch fachlich nicht weiter.
Ein Nebenjob als studentische Hilfskraft soll Abhilfe schaffen, den Horizont erweitern. Die künftige Geoökologin kniet sich hinein in die neue Aufgabe. Die „Kartierung von invasiven Pflanzenarten an den Gewässerrandstreifen der Stadt Potsdam“ ist so ein Projekt, das sie nun mit großen Erwartungen mitrealisiert. Drei Monate lang arbeitet Schmidt intensiv an dem Vorhaben. Es wird ein Erfolg. Alles läuft gut. Gleich danach schließt sich ein nächster Job an, der ihr im Institut angeboten wird und bei der Suche nach der eigenen Zukunft lohnend scheint. Sie nimmt dankend an und beteiligt sich an einer Kartierung im Brandenburger Stadtteil Kirchmöser. Dort erfolgt gerade die Erschließung eines großen Industrie- und Gewerbegebietes.
Gemeinsam mit einem Planungsbüro werden in dem betroffenen Gebiet deshalb zuvor alle Biotope aufgenommen. Jördis Schmidt schaut genau hin. Zum einen verstärkt sich die Vorstellung, in die Branche einsteigen zu wollen, zum anderen aber entstehen auch erste Zweifel. Unterkriegen lässt sie sich deshalb nicht und sucht weiter nach neuen Erfahrungen, die ihr nutzen sollen. Fast ein ganzes Jahr wirkt die junge Studentin schließlich an der Vorbereitung einer Ausstellung zu invasiven Pflanzenarten im Potsdamer Naturkundemuseum mit. Das Metier fasziniert. Aber ist es wirklich das, was sie will?
Beim Nachdenken über die berufliche Zukunft wird ihr jetzt häufiger flau im Magen. Die fachliche Ausbildung an der Uni stimmt. Doch treffen Wissenschaft und Praxis aufeinander, verzerrt sich das Bild. Erst recht, als sie 2006 in der Unteren Naturschutzbehörde Potsdam Mittelmark in Belzig ein nächstes Praktikum absolviert. „Hier habe ich Kompensationsplanung betrieben“, erzählt sie. „Es ist eine spannende Sache gewesen.“ Trotzdem wird der Aufenthalt zum Knackpunkt in ihrem Werdegang. Sie sieht verwaiste Bürostühle, die nicht wieder besetzt werden, lernt unbezahlte Praktikanten kennen, die ohne Aussicht auf eine Festanstellung gute fachliche Arbeit leisten. Das Land Brandenburg spart massiv im Umweltschutz. Schmidts Hoffnung, in der Branche Fuß fassen zu können, schwinden. „Mir wurde bewusst, dass ich meine Fühler breiter ausstrecken muss“, sagt sie im Rückblick. „Die an der Uni vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten dienen ja nicht nur einer einzigen Karriere. Im Gegenteil, Flexibilität ist heute stärker denn je gefragt.“
Da Schmidt bereits im Olympischen Sportclub Potsdam (OSC) als Übungsleiterin im Modernen Fünfkampf agiert und an zwei Tagen der Woche Athleten betreut, konzentriert sie sich von nun an verstärkt darauf. Trainer im Modernen Fünfkampf fehlen. Es ist eine Lücke, in die sie springt. Übungsleiter-Scheine und Trainer-Qualifikationen folgen. Das reißt auch nicht ab, als eine Uni-Professorin ihr anbietet, möglicherweise promovieren zu können. Die Wissenschaftlerin verlässt bald darauf die Hochschule in Richtung München, der Kontakt reißt ab. „Das war schade, sicher“, gibt Schmidt zu. Aber die Wissenschaftsschiene sei es auch nicht, die sie reizt. „Ich hatte plötzlich Angst, mich durch Thema und Spezialisierung zu sehr festzulegen“, so ihre Einschätzung heute. Im Februar 2008 erhält sie eine halbe Stelle als Landestrainerin. Nun verbindet sie Studium und Halbtagsjob in einem straffen Zeitkorsett. Ein Geoökologie-Abschluss mit guten Noten bleibt weiter festes Ziel.
„Im und nach dem Studium müssen Vielseitigkeit und Flexibilität im Vordergrund stehen“, betont Schmidt. „Schmalspur reicht nicht. Bei den meisten Studiengängen gestaltet sich der Übergang ins Berufsleben eher schwierig. Damit er trotzdem klappt, braucht es ein großes Maß an Engagement, Interesse, Selbstorganisation und letztlich eben das Offensein für unterschiedliche Offerten.“
Jördis Schmidt ist erstmal angekommen. Ab 1. Januar nächsten Jahres bekleidet sie voraussichtlich eine Vollzeitstelle als Landestrainerin im Modernen Fünfkampf. Ihr Geoökologie-Diplom hat sie inzwischen in der Tasche.
Petra Görlich
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