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Von Guido Berg: Tram-Ansage auf Knopfdruck

Der Potsdamer Verkehrsbetrieb ViP testet an am Hauptbahnhof eine „sprechende“ Haltestelle

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Stephanie Seidel ist von Geburt an blind. Wenn die junge Frau mit der Straßenbahn unterwegs ist, muss sie am Bahnsteig Mitfahrende fragen, ob es die richtige Tram ist, die da gerade einfährt. Ist sie allein an der Haltestelle, versucht sie sich so zu positionieren, dass sie auf Höhe des Fahrers steht wenn die Bahn hält, um ihn zu fragen. „Ich treffe meistens“, sagt sie.

Aber immer fragen zu müssen, auf andere angewiesen zu sein, „das nervt“, findet Stephanie Seidel. „Richtig wunderbar“ und „ein Quantensprung“ stelle nun ein Pilotprojekt des Potsdamer Verkehrsbetriebs ViP dar – die „sprechende“ Haltestelle. Seit gestern und noch bis Jahresende testen der ViP und die Berliner Firma GSP an der Haltestelle am Potsdamer Hauptbahnhof ein technisches System, dass die Informationen auf der Anzeigentafel in eine akustische Ansage übersetzt. Der blinde oder sehbehinderte Reisende drückt einen orangenen Knopf und umgehend wird die aktuelle obere Zeile der Anzeigentafel von einer Frauenstimme laut vernehmbar angesagt: „Linie 92 nach Bornstedt Kirschallee, Abfahrt in drei Minuten“. Wird erneut der Knopf gedrückt, erfolgt die Ansage der zweiten Zeile und so weiter. Wie ViP-Mitarbeiter Steffen Krause erläuterte, passt sich die Lautstärke der Ansage automatisch der Umgebungslautstärke an – bei einer lärmenden Menschenmenge oder einer in die Haltestelle einfahrenden Straßenbahn wird die Ansagestimme auch lauter. Und eine weitere Funktion ist mit dem kleinen orangeren Knopf verbunden: Wer ihn lang anhaltend drückt, erhält eine Ansage mit touristischen Informationen über die „Krongutlinie 92 nach Bornstedt“, die „Kulturlinie 93 zur Schiffbauergasse“ oder die „Tropenlinie 92 zur Biosphäre“. In der kommenden Woche soll das Ansagespektrum noch durch Informationen über den Ersatzverkehr erweitert werden, kündigte ViP-Prokurist Frank Herrmann an.

Die Erfahrungen mit der „sprechenden“ Haltestelle werden mit der Potsdamer Beratungsstelle für Blinde und Sehschwache ausgewertet, kündigte Herrmann an. Ob das akustische System auch regulär an anderen Haltestellen eingesetzt wird, sei abhängig von den Erfahrungen, die damit gemacht werden – und auch von der Frage, ob Stadt oder Land dafür Fördergelder bereitstellen. „Eine vierstellige Summe“ koste eine Haltestellen-Ausrüstung, sagte Eric Nöh von der Firma GSP. Herrmann zufolge strebt der ViP für Potsdam ein gemeinsames Blindeninformationssystem mit Berlin an.

Stephanie Seidel drückt den Knopf, hört die Ansage – und lächelt. „Ein sehr guter Start.“ Allerdings bestehe nun die Schwierigkeit, den Knopf an dem Haltestellenpfeiler auch zu finden: „Es wäre gut, wenn der Knopf ein akustisches Signal von sich geben würde.“ Möglich wäre auch ein Erkennungsmerkmal am Blindenleitstreifen der Bahnsteigkante. ViP-Prokurist Herrmann sagte eine Lösung zu. Sie selbst hat sich schon mal eingeprägt: An zwei Sitzbänken vom Bahnhofsausgang gesehen vorbei, dann kommt der Regendachpfeiler mit dem Knopf, der die Haltestelle zum Sprechen bringt.

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