Aus dem GERICHTSSAAL: Trinker mit Einsicht
Therapie-Wille rettete Arbeitslosen vor Haftstrafe
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Sitzt ein Pflichtverteidiger neben dem Angeklagten, steht für diesen einiges auf dem Spiel. Selbst wenn es – wie im Fall von Jan J. (40, Name geändert) - nur um Fahren unter Alkoholeinfluss geht. Und das auch noch mit einem Fahrrad. Doch der Potsdamer scheint unbelehrbar. Bereits neunmal wurde er von der Polizei betrunken aus dem Verkehr gezogen, saß deshalb ebenso oft auf der Anklagebank. Auf Geldstrafen folgten Freiheitsstrafen mit Bewährung. Jetzt ist es genug, befindet die Staatsanwältin und beantragt drei Monate Haft. Nun ist der Verteidiger gefragt, die guten Seiten seines Mandanten ins Licht zu rücken. Der zählt auf: „Früher fuhr er betrunken mit dem Auto. Jetzt war es ein Fahrrad. Das bedeutet immerhin eine Minderung der kriminellen Energie.“ Außerdem sei Jan J. der Polizei am 11. Januar dieses Jahres nicht etwa aufgefallen, weil er mit 2,23 Promille Schlangenlinien auf seinem Veloziped zeichnete. „Das Rad war nicht beleuchtet. Das machte die Beamten stutzig.“ Inzwischen habe der Arbeitslose eingesehen, dass es so nicht weitergehen könne, bemühe sich um eine Alkoholentziehungs-Therapie. Deshalb solle ihm noch einmal die Möglichkeit zur Bewährung eingeräumt werden.
„Wenn Sie die Therapie machen, haben Sie eine echte Chance, dass Sie es schaffen. Wenn nicht, sehen wir uns hier sowieso wieder“, glaubt Amtsrichterin Kerstin Devriel und verurteilt den gelernten Heizungsinstallateur zu sieben Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung. Jan J. fällt ein Stein vom Herzen. „Ich schäme mich für mein Handeln. So etwas kommt bestimmt nicht mehr vor“, versichert er. Auch wolle er den Weisungen seines Bewährungshelfers stets folgen.
Anfang des Jahres steckte der Angeklagte noch in einer tiefen Krise. Er versuchte, seine Probleme mit Alkohol zu betäuben. Auch am Tattag trank er acht oder neun Bier, wollte spätabends noch zur Tankstelle laufen, um Nachschub zu holen. „Ich habe das Fahrrad nur mitgenommen, um den Beutel mit den Flaschen dranzuhängen“, meint er. Dann sei er allerdings doch ein paar Meter gefahren und promt erwischt worden. „Vielleicht muss man erst tief genug fallen, um wieder hochzukommen“, philosophiert der Potsdamer. Jetzt sähe er Licht am Ende des Tunnels. „Die Insolvenz ist inzwischen durch, die Scheidung auch. Ich habe eine Freundin und trinke weniger. Aber ich brauche professionelle Hilfe, um ganz vom Alkohol loszukommen.“ Wie ernst es ihm mit seinem neuen Leben ist, beweist die Kopie des Therapie-Antrags, die er zur Akte gereicht hat.
„Für Sie ging es heute um die Wurst. Mein persönlicher Eindruck während der Verhandlung spricht für Sie“, betont Richterin Devriel abschließend. Hoga
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