SCHLOSS-PROJEKTION: Trümmer-Aktion
Tausende Schlossziegel geborgen, Ägyptologe spricht von „zu wenig historischem Bewusstsein“
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EIn PNN-Aprilscherz vom 1. April 2005 wird Realität. Damals schrieb die Zeitung, das Stadtschloss wird als Modell am Alten Markt projiziert. Viele Anrufer meldeten sich damals und fragten, zu welcher Zeit man das sehen könnte. Damals war es ein Aprilscherz – aber am heutigen Montag um 18.30 Uhr wird der Potsdamer Künstler Baumgardt eine Kunstinstallation vorführen, die optisch den Eindruck erweckt, das unzerstörte historische Stadtschloss stehe am Alten Markt. Das teilte die Bürgerinitiative „Mitteschön“ mit. In sieben Tagen werde sie dann offiziell vorgestellt. PNN
Innenstadt - Die Aktivisten für den Wiederaufbau des Stadtschlosses können mit ihrer Initiative zufrieden sein: Über hundert Menschen aller Generationen kamen am Samstag auf die Baustelle am Alten Markt, um möglichst viele Steine aus dem Stadtschloss-Fundament zu bergen. Mit Schlagbohrern und Hämmern holten sie die Ziegel heraus und stapelten sie in bereit stehende Drahtbehälter. Über tausend sauber geputzte Ziegel kamen auf diese Weise zusammen. Um weitere Original-Steine zu bergen, muss die Aktion wiederholt werden.
„Ich bin etwas traurig angesichts dieser Trümmer“, sagte Dr. Jochen Kuke vom Förderverein zum Wiederaufbau des Stadtschlosses. Die Baufirma hatte den Rest des Kopfbauten-Fundamentes zuvor in Richtung Friedrich-Ebert-Straße zu einer Halde aufgetürmt, an der sich die „Trümmerleute“ nun mit Hämmern und Bohrern zu schaffen machte. Stadtarchäologin Gundula Christl und Gesa Haan vom Sanierungsträger gingen mit einem Schriftstück herum, auf dem die Steineklopfer sich per Unterschrift verpflichten mussten „auf eigene Gefahr“ zu arbeiten. Die Unfallgefahr war in der Tat groß, denn zwischen den dicht an dicht tätigen Leuten, spritzten Steinsplitter herum. Viele trugen weder Schutzhandschuhe noch Arbeitskleidung.
Insgesamt ergab sich ein Bild, dass an die Trümmerbergung für den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit erinnerte. Lutz André, der sich mit seinem Enkel Leo am Putzen der Steine beteiligte, äußerte die von vielen Anwesenden geteilte Überzeugung, dass es möglich gewesen wäre, die Fundamente für den Wiederaufbau zu verwenden. Aber eine Tiefgarage sei anscheinend wichtiger. Jetzt bestehe die Gefahr, dass nicht einmal die historischen Baugrenzen eingehalten werden. Die 22-jährige Ulrike Amsel, die ihr freiwilliges soziales Jahr bei der Jugendbauhütte absolviert, äußerte die Hoffnung, dass am Ende „wieder Teile des Schlosses zu sehen“ sein werden. Sie war mit ihre Freundin Veronika und weiteren neun Jugendlichen der Jugendbauhütte Brandenburg auf den Alten Markt gekommen, um zu helfen.
„Das wichtigste Fundament der Stadt wird von den Bürgern selbst geborgen“, kennzeichnet Kuke die Aktion. Die Steine sollen mit einem Stempel versehen und verkauft werden, kündigt er an. Christian Seidel, Bauausschuss-Vorsitzender und Aktivist der Initiative „Mitteschön“, sagt zum Verkaufspreis, es sei von hundert Euro pro Ziegelstein die Rede gewesen. Die Drahtkörbe mit je 250 Ziegeln werden zunächst dort aufbewahrt, wo bereits andere erhaltenen Originale des Stadtschlosses lagern. Die Modalitäten des Verkaufes will der Verein zum Wiederaufbau des Stadtschlosses noch bekannt geben.
Mit dabei beim Steineklopfen war Oberbürgermeister Jann Jakobs. „Das ist schon wichtig“, antwortet er auf die Frage nach dem Grund seiner Beteiligung. Von der „historischen Kubatur“ des Stadtschlosses sprach er, weiter wolle er nicht gehen, um die Diskussion um den historisch getreuen Wiederaufbau nicht wieder anzufachen. Er habe aber die Verwaltung angewiesen, die Aktionen der Bürger zu unterstützen. Jochen Kuke spricht von „Irritationen“, die wegen der Originalteile entstanden seien. Deutlicher wird Marius Müller, Ägyptologe aus Ulm, der sich ebenfalls als Steineklopfer betätigte. Er spricht von „zu wenig historischem Bewusstsein“ der Verantwortlichen, welche die letzten Originalteile auf die Deponie bringen wollten. Günter Schenke
Günter Schenke
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