Landeshauptstadt: Trümmerwall und Freibad
Aus Hans Freeses Gutachten von 1947 über Potsdams Wiederaufbau
Stand:
Als Georg Rendtel 1945 aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause kam, musste er sich beruflich neu orientieren. „Ich machte eine Ausbildung in der Baubranche“, erzählt der heute 79-Jährige. Er ging nicht nur in die Maurerlehre, sondern besuchte später die Ingenieurschule und arbeitete anschließend 40 Jahre lang auf dem Gebiet der Statik und Projektierung.
Aus der Aufbruchzeit nach dem Kriege hat Rendtel einige Blätter aus der Zeitschrift „Der Bauhelfer“ aus dem Jahre 1947 aufbewahrt, die er den PNN für die Luftschloss-Serie zur Verfügung stellte.
Die Druckseiten sind stark vergilbt, ihr Inhalt aber zeugt von einem damals scharfen Blick für die Aufgaben des Wiederaufbaus. Von „Takt und Innigkeit, Alt und Neu zu einem Zusammenklang zu bringen“, ist die Rede. Kaum dass sich der Rauch aus den Trümmern verzogen hatte, diskutierten Fachleute im „Bauhelfer“ über die städtebauliche Zukunft Potsdams.
Prof. Hans Freese von der Technischen Universität Berlin erhielt bereits 1946 von der Landesregierung der Mark Brandenburg den Auftrag, ein Gutachten zur Gestaltung der historischen Mitte einschließlich eines Theaterneubaus zu erstellen. Freese unterbreitete unter anderem den Vorschlag, einen Wall aus Trümmern südlich der Berlin-Magdeburger Eisenbahnlinie zu schütten, ihn schön zu bepflanzen und mit einer Promenade zu versehen. „Da der Wall höher ist als der Eisenbahndamm, wird so der Blick über die Havel wieder frei.“ Potsdam sei überreich an künstlerisch reizvollen Trümmerstücken wie Säulen, Kapitellen und dergleichen, die zur Ausschmückung des Walls dienen könnten. Auf diese Weise sollte eine „romantische Wirkung, wie bei den römischen Bädern im Sanssoucipark“ entstehen. 100 000 Kubikmeter Schutt wollte Freese für den Wall verarbeiten. Praktisches Ziel: Die Kosten der Enttrümmerung konnten durch die günstige Lage des Walls ermäßigt werden. Die Halbinsel Hinzenberg, die heute eine Kleingartenanlage ist, sollte gärtnerisch gestaltet und nach Möglichkeit zu einem Freibad ausgebaut werden. Damit würde der tote Lustgarten eine Belebung erfahren, hieß es.
Zu den weiteren Vorhaben vertrat Freese die Meinung: „In erster Linie sollte natürlich die schöne Silhouette der Stadt wiederhergestellt werden, was den Wiederaufbau des Stadtschlosses, des Alten Rathauses, der Garnison-, Nikolai- und der Heiligen-Geist-Kirche voraussetzt.“ Das Empfangsgebäude des Bahnhofs wollte er so hoch legen, so dass die Stadtsilhouette sich für den Ankommenden in voller Schönheit präsentieren konnte – so wie das beim heutigen Nordeingang des Potsdam-Centers gegeben ist. Am Lustgarten wollte Freese einen neuen Stadteingang gestalten. Seine Vision: „Die ganze Anlage bildet zusammen mit dem Lustgarten, dem Trümmerwall und dem Freibad auf der Hinzenberghalbinsel eine Einheit, die vom Stadtschloss beherrscht wird.“
Freeses Gutachten nimmt auch zur „Theaterfrage“ Stellung. Fazit: „Von den beiden für das Potsdamer Theater vorgeschlagenen Bauplätzen, Schlossplatz und Platz der Einheit, erfüllt nur der zweite diese Forderung vollkommen, zumal dem gegenwärtigen Platz an der Nordseite die Dominante fehlt.“ Wären diese Pläne zum Zuge gekommen, gäbe es heute statt der Wilhelmgalerie einen Theaterbau – eine zweifellos ideale Lösung. Zur Architektur bemerkt Freese: „Die repräsentative Vorderfront des Theaters nimmt infolge der Seitenbauten die ganze Platzwand ein und es besteht die Möglichkeit, die für Potsdam so charakteristische vornehme Ruhe der Gontardschen Fassade wiedererstehen zu lassen.“
Das Stadtschloss sollte nach Freeses Gutachten als repräsentativer Sitz der Provinzialregierung oder als Rathaus dienen. Sein Wiederaufbau schien selbstverständlich, denn: „Zum Köstlichsten, was wir in Deutschland an Architektur besitzen, gehört der Blick aus dem Schlosshof über das Fortunaportal auf die Nikolaikuppel und das alte Rathaus. Ihn zu bewahren, lohnt allein die größte Mühe.“
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: