Landeshauptstadt: Tussis gehen gar nicht
Zwei Freundinnen eint das Anderssein: Die eine steht auf Metal, die andere auf Hip-Hop und Rap
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Sie sind die allerbesten Freundinnen. Und das schon seit einer Mondmärchennacht vor zwei, drei Jahren im Mädchentreff „Zimtzicken“. Chrissy und Jessy verbindet das Anderssein, obwohl sie auf ganz unterschiedliche Musik stehen. Während die 15-jährige Jessy mit den schwarz gefärbten Haaren, den dünn gezogenen Augenbrauenlinien und dem schwarzen Spitzenrock zu Springerstiefeln gerne Metal hört, mag Chrissy, 16, den schnellen Sprechgesang von Hip-Hop und Rap. Das verraten auch ihre Klamotten: Jeans, Sweatshirt und blauer Strickschal. „Ich trag“ alles, was bequem ist“, sagt die Elftklässlerin.
Die Mädels haben aufgegeben, sich musiktechnisch überzeugen zu wollen. Per rasanter Datenautobahn ICQ schicken sie sich zwar ihre jeweiligen Lieblingsstücke zu. Die kommen aber auf der anderen Seite nicht unbedingt als Ohrwürmer an. „Ein paar Stücke, die Jessy mag, hör“ ich auch“, sagt ihre Freundin. Und umgekehrt. Der Musikgeschmack gehört zur Grenzziehung: Was man hört, bestimmt auch das Outfit – als Erkennungseffekt. Andere Bewegungen wie Punk und Rock werden geduldet.
„Was gar nicht geht sind Tussis“, sagt Jessy. Die hätten nur ihr Äußeres im Kopf, seien eingebildet – einfach suspekt. „Wenn die schon ankommen und uns von oben bis unten anglotzen“, imitiert Chrissy den abschätzenden Blick. Und Jessy liefert gleich ihr Motto dazu: „Wenn ihr lacht, weil ich anders bin, lache ich, weil ihr gleich seid.“ Trotzdem gehe sie mit ihrer allerbesten Freundin gerne stundenlang shoppen. „Schließlich sind wir Mädchen.“Aber sie stehen eben nicht auf so Glitzerkram, sondern eben mehr auf klobige Goldketten und Nietengürtel. Piercing sei auch okay, sagt die 15-Jährige, die mal eins in der Unterlippe hatte. „Ist aber rausgefallen und das Loch wieder zugewachsen.“ Total out seien hingegen die so genannten „Arschgeweihe“ – auf den Rücken oberhalb des Steißbeins tätowierte geschwungene, verzweigte Fantasiesymbole. „Blöd nur, wenn man so was schon hat“, kommentiert Chrissy.
Chillen, Partymachen und Konzertbesuche gehören zu ihren erklärten Lieblingsbeschäftigungen am Wochenende. Gegen Liebeskummer haben die beiden Seelenverwandten ein Spezialrezept: Horrorfilme gucken. Zum Zeitvertreib hilft auch Chatten im Internet. Darüber hat Jessy ihren Freund kennengelernt, der im 600 Kilometer entfernten Stuttgart wohnt „und superschöne lange Haare hat“. Überhaupt sind Freunde – auch die beste Freundin – das Allerwichtigste. Mit Weltgeschehen und Politik hingegen können die zwei nichts anfangen. „Erst wenn die Politiker anfangen, ihre Versprechen zu halten, gehe ich wählen“, sagt Chrissy ganz allgemein. Wenn sie sich für Potsdam etwas wünschen könnten, wären das mehr „Hopper“-Konzerte und Metal-Festivals. Ihre Zukunft ist ungeplant. Erst mal Abi machen und dann weitersehen. Jessy geht auf die Goethe-Gesamtschule, Chrissy besucht das Oberstufenzentrum „Johanna Just“. Eines aber wissen die beiden Freundinnen genau: Hopper- und Metal-Überzeugung sind keine Phasen. „Wir bleiben ganz lange so.“ Nicola Klusemann
Nicola Klusemann
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