Homepage: Überbleibsel aus dem Tertiär Die Haberlee ist ein Veilchen aus den Tropen
Man fragt sich angesichts der vergangenen, zu warmen Monate, was die Zukunft wohl noch bringen wird. Welche der Pflanzen, die wir heute kennen, werden in 200 Jahren noch in Europa wachsen?
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Man fragt sich angesichts der vergangenen, zu warmen Monate, was die Zukunft wohl noch bringen wird. Welche der Pflanzen, die wir heute kennen, werden in 200 Jahren noch in Europa wachsen? Bei einem Blick in die Vergangenheit wird schnell klar, dass die Natur beständig im Wandel war und ist, wenn auch vielleicht nicht ganz so rasant wie derzeit. Während der Eiszeiten war es bekanntlich viel kälter und auch trockener als heute, und Europa war teilweise von Gletschern, überwiegend aber von baumloser Steppentundra bedeckt. Im Tertiär, noch vor den Eiszeiten, war es umgekehrt sehr viel wärmer und auch feuchter als heute. Vor etwa 50 Millionen Jahren, am Anfang des Tertiärs, wuchs tropischer Regenwald auf den Inseln im Tethysmeer, das damals den Großteil Europas bedeckte.
Die Haberlee (Haberlea rhodopensis) ist ein Überbleibsel aus jener tropischen Zeit. Sie gehört zur Familie der Gloxiniengewächse (Gesneriaceae), den Usambaraveilchen und seinen Verwandten, die noch heute fast ausschließlich in den Tropen vorkommen. Die Haberlee muss als eigene Art vor etwa 25 Millionen Jahren entstanden sein, als der Meeresspiegel sank und sich die Gebirge Europas auffalteten. Seither hat sie in einigen hochgelegenen Felsregionen Bulgariens und Griechenlands überdauert, wo man sie heute noch antreffen kann.
Die Haberlee hat aber auch Eingang in die Gartenkultur gefunden. Als Konzession an ihre tropischen Vorfahren sollte man ihr einen Platz in einer absonnigen Felsfuge gönnen, die nicht so stark austrocknender Sonnenstrahlung ausgesetzt ist. Dort kann sie sehr alt werden, mehrere Jahrzehnte sind nicht ungewöhnlich. Wenn es ihr gut geht, blüht sie jedes Jahr im Mai und Juni – wenn es mit der Klimaerwärmung so weitergeht, künftig schon im April. Die Pflanzen im Potsdamer Botanischen Garten hatten in diesem Jahr jedenfalls schon Ende April ihren eleganten, blassvioletten Blütenflor aufgesetzt. Mit einer Ausbreitung dieser Pflanze in unserer Region ist aber nicht zu rechnen, denn das Klima soll zwar wärmer, aber auch trockener werden – keine günstigen Voraussetzungen für einen Nachkommen feuchttropischer Pflanzen. Michael Burkart
Michael Burkart
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