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Ausgesprochen KAPUSTE: Überforderte Touristen

Die Touristensaison endet in diesen Tagen. Die Bus-Haltestelle „Neues Palais“ in Richtung Campus Universität, an der sich die Besucher aus dem In- und Ausland drängten, um zurück zum Hauptbahnhof zu gelangen, wird verwaisen, und die Marketingleute des Verkehrsbetriebs Potsdam werden die Erkenntnisse auswerten, die an dieser Modell-Haltestelle über die Leidensfähigkeit der Kunden gewonnen wurden.

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Die Touristensaison endet in diesen Tagen. Die Bus-Haltestelle „Neues Palais“ in Richtung Campus Universität, an der sich die Besucher aus dem In- und Ausland drängten, um zurück zum Hauptbahnhof zu gelangen, wird verwaisen, und die Marketingleute des Verkehrsbetriebs Potsdam werden die Erkenntnisse auswerten, die an dieser Modell-Haltestelle über die Leidensfähigkeit der Kunden gewonnen wurden.

Die Prüfsituation am „Neuen Palais“ für die ortsunkundigen, im Galopp zu jedem haltenden Bus hetzenden Touristen, wenn sie zum Hauptbahnhof zurückfahren wollen, ist wie folgt: Die große Hinweistafel der Haltestelle zeigt mit kleiner Schrift untereinander an: „X 5 Bhf Golm“, dann „605 Wissenschaftspark Golm“, gefolgt von „606 Alt Golm“, danach als Viertes unauffällig „695 S Hauptbahnhof“ und darunter noch „N14 Wissenschaftspark Golm“. Wollen die Leute auf Nummer sicher gehen und schnell auf die Fahrpläne im Wartehäuschen schauen, so sehen sie auf vier von fünf Fahrplänen in der Überschrift das Wort „S-Hauptbahnhof“ stehen. Auch ein Blick hinüber zu einem gelegentlich auf dem Platz haltenden Bus mit einem Zeitung lesenden Fahrer hilft nicht weiter, weil er sich laut Beschriftung gerade auf einer Betriebsfahrt befindet.

Da hilft es in der Eile nur, den Fahrer durch die geöffnete Tür zuzurufen, ob denn der Bus zum Bahnhof fahre. Dies sollte jedoch nicht in Englisch geschehen. Zwar sind die Fahrer angeblich in der Lage, diese Sprache zu verstehen und mit ihr Auskunft zu geben, sie hüten dies jedoch wie ein kostbares Geheimnis.

Im November wird die Befragung der Busfahrer durch die Marketing-Fachleute erfolgen, um herauszubekommen, was den Kunden zugemutet werden kann, wenn die Fahrer von Bussen, die nicht zum Hauptbahnhof fahren, angesichts der flehenden Bitten um Auskunft a) sofort die Tür schließen, b) die Fragenden stumm anblicken und dann die Tür schließen, c) ein kurzes „Nein!“ von sich geben, d) auf das Hinweisschild deuten, oder, was auch mal vorkommt, e) eine richtige und verständliche Auskunft geben. Eine Zusatzfrage lautet, wie sich die Touristen verhalten, wenn sich ein Fahrgast wichtigmacht und aus dem Bus heraus eine Antwort versucht.

Die Befragung gibt Auskunft, welcher Prozentsatz der Touristen schimpft oder einen Weinkrampf bekommt, fassungslos den Kopf schüttelt oder amüsiert lacht oder gar mit Gewalt in den Bus eindringen will. Je nachdem, wie das Gesamtergebnis ausfällt, wird im kommenden Jahr am „Neuen Palais“ nichts verändert oder die Schraube angezogen, zum Beispiel das Wort „S-Hauptbahnhof“ in „SHbhf“ geändert.

Potsdam ist eine weltbekannte Kulturstadt, die von ihren Besuchern erwarten kann, ja muss, dass sie clever, vorausplanend, belastungsfähig und keine Träumer sind. Anstatt ihre Zeit im Neuen Palais zu vertrödeln, sollten sie lieber in Ruhe und gründlich Fahrpläne studieren. Es lohnt sich.

Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.

Eberhard Kapuste

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