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Landeshauptstadt: Überlastung im Klinikum

Potsdams größtes kommunales Unternehmen: Die Fronten zwischen Spitze und Belegschaft sind verhärtet

Stand:

Von Henri Kramer

Trotz aller wirtschaftlichen Erfolge des Klinikums Ernst von Bergmann – bei den rund 2100 Angestellten rumort es. Nach PNN-Recherchen haben sich in den vergangenen Monaten die Fronten zwischen der Führungsspitze des größten kommunalen Unternehmens und dem Betriebsrat weiter verhärtet. Es gibt Streit vor Gerichten und Sorgen über Lohndumping. Zudem häufen sich Berichte über chronischen Dauerstress, der die Arbeit belaste.

Eine Zahl fällt besonders auf: Innerhalb der ersten vier Monate dieses Jahres, etwa 120 Tage, hat der Betriebsrat schon rund 330 Angestellte gezählt, die „Überlastungsanzeigen“ gestellt haben, weil sie ihre Arbeit nicht mehr schaffen. Vor zwei Jahren soll es laut Betriebsrat nur zehn solcher Meldungen gegeben haben, letztes Jahr sei ihre Zahl sprunghaft auf 781 gestiegen. „Wir kritisieren, dass die Personalstruktur nicht an die gestiegenen Anforderungen angepasst wird“, heißt es auf Anfrage der PNN aus dem Betriebsrat. Dessen Kritik reicht weit: „Wir vermissen schnelle Reaktionen, wenn Mitarbeiter sich an die Leitung wenden, weil die Personalzahl bei der Patientenversorgung unzureichend ist.“

Die Führungsspitze um den seit zwei Jahren amtierenden Klinik-Geschäftsführer Steffen Grebner kennt solche Vorwürfe. „Es gab Anfang des Jahres Überlastungen“, sagt Grebner. Als Gründe nannte er bei einem Gespräch mit den PNN in dieser Woche beispielsweise die Grippe-Welle Anfang des Jahres und „Neustrukturierungen“. Und natürlich sei es möglich, räumte Grebner ein, dass manchen Mitarbeitern die Geschwindigkeit der Transformation des Unternehmens „zu schnell“ scheine. Gleichwohl sei das „normal“ – und das Klinikum eines der wenigen kommunalen Krankenhäuser in Ostdeutschland, das profitabel arbeite.

In der Tat klingen die Zahlen des Klinikums nach Erfolg. Bei rund vier Millionen Euro soll der Jahresüberschuss für 2008 liegen, nach einem Profit von rund 5,4 Millionen im Jahr 2007. „Nachdem wir jahrelang im bundesweiten Vergleich im unteren Drittel lagen, stehen wir nun im oberen Drittel“, sagt die Sozialbeigeordnete Elona Müller, zugleich Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikums. Müller verweist darauf, wie „froh“ sie sei, dass das vor fünf Jahren defizitäre Haus im Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern nun „gut aufgestellt“ sei. Doch auch sie hat die Zahlen der Überlastungen gehört. „Wenn es wie in diesem Haus häufig Umzüge gibt, entsteht natürlich Unruhe und Stress.“ Seit langem wird der Komplex an der Charlottenstraße umgebaut und saniert.

Auch der Betriebsrat sieht strukturelle Veränderungen im Unternehmen als „notwendig“ an. Doch beklagt das Gremium das Fehlen einer „offenen Diskussionskultur“ darüber. Die Beschwerdeliste des Betriebsrats reicht von Details wie „weggefallenen“ Mitarbeitertoiletten oder „zu kleinen“ Pausenräumen bis hin zu Grundsatzproblemen in der „überlasteten“ Notaufnahme. Grebner sagt dazu, dass 2007 die Zahl der Notfälle noch bei 37 000 lag, für dieses Jahr erwartet er 50 000. Eine Steigerung um 35 Prozent. Das Personal sei gleichzeitig nur um 15 Prozent gewachsen, räumt er ein. Doch sei die Notaufnahme angemessen besetzt. „Es wird trotzdem passieren können, dass Patienten warten müssen, gerade in Stoßzeiten“, so Grebner. Das sei auch anderswo üblich. Der Betriebsrat hält dagegen: Die Kollegen in der Notaufnahme müssten nicht nur mehr Patienten helfen, sondern auch eine neue Station betreuen.

Die unklare Situation in der Notaufnahme ist exemplarisch für den Zwist am Klinikum. Beide Seiten ziehen für ihre Argumente verschiedene Statistiken heran, die Komplexität und Größe des Hauses machen den Überblick schwer. So sagt Grebner, dass die Zahl der Fachärzte in seinem Haus steige. Der Betriebsrat bestreitet das nicht, verweist aber auf eine „hohe Fluktuation“. Zahlreiche erfahrene Ärzte hätten das Klinikum in den vergangenen zwei Jahren verlassen, heißt es. Noch ein Dauerthema gibt es: Die Service-Gesellschaft, eine Tochter des Klinikums. Für diese gibt es noch keinen Tarifvertrag. „Wir haben Sorge, dass zunehmend Mitarbeiter der Service-Tochter als Leiharbeiter im Mutterbetrieb eingesetzt werden, die dort niedrigere Löhne erhalten“, so ein Betriebsratsmitglied. Betroffen seien etwa Pflegehelfer und Labor-Assistenten.

Längst beschäftigt der Streit die Justiz: Laut Potsdamer Arbeitsgericht liegen dort 26 Klagen gegen den Einsatz von Mitarbeitern der Service-Tochter vor. Der Betriebsrat: „Die ersten haben wir gewonnen.“ Grebner weist den Vorwurf des Lohndumpings zurück. Ein Ausschuss soll darüber beraten, wie die Service-Gesellschaft künftig gestaltet sein soll: Ob sie vergrößert wird oder zusätzliche Töchter entstehen müssen. Grebner sagt: „Erst wenn die neuen Bedingungen geklärt sind, wird es Tarifverhandlungen geben.“

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