Ausgesprochen KAPUSTE: Überleben durch Evolution
Evolution: Es überlebt, wer sich am besten seiner Umwelt anpasst. Zum Beispiel als Potsdamer Stadtpolitiker.
Stand:
Evolution: Es überlebt, wer sich am besten seiner Umwelt anpasst. Zum Beispiel als Potsdamer Stadtpolitiker. Für die Stadtverordnetenversammlung bewerben sich auf den ersten Plätzen Frauen und Männer, die seit Jahren, ja, Jahrzehnten mitmischen. Sie müssen uralt sein, denkt man unwillkürlich. Das mag sein. Gerade deshalb möchte ich sie loben.
In keiner vergleichbaren deutschen Stadt sind die Sitzungen so lang wie bei uns, so überlang, dass oft eine zweite fällig ist. Das erfordert ein Sitzfleisch, das Neulingen völlig abgeht. Es macht sie mürbe, wenn das, was bereits in den Ausschüssen endlos diskutiert worden war, im Plenum erneut bis zum Geht-nicht-mehr durchgekaut wird, also jeder Quark mindestens zweimal angehört werden muss. Die Neuen wollen gerne früh nach Hause kommen, aber nicht diese Routiniers. Sie tragen es geduldig mit, dass jeder Fraktion die gleiche Redezeit zusteht, ob sie nun 15 oder zwei Mitglieder stark ist. Sie könnten versuchen, dies zu ändern, aber das verkürzte die Sitzungen, also lassen sie es sein. Auch die Zweier- und Dreier-Fraktionen sollen überall ihren Senf dazugeben dürfen, zum Beispiel zur Bettensteuer, der tollen Solonummer der CDU. Die erfahrenen Abgeordneten schalten dann ab und bleiben frisch, wo hingegen die jungen Weicheier meinen, sie müssten sich in alles mit Eifer reinhängen und sich damit nur selbst fertigmachen.
Die Alten mögen es allerdings nicht, wenn die Neulinge ausnahmsweise mal Gefallen an einer Sitzung haben. Merken sie dies, so treten sie eine Geschäftsordnungsdebatte los, die sich gewaschen hat. Das hält kein normaler Mensch aus, und auch nicht, wenn die Alten schwierige Projekte über Jahre am Köcheln halten. Ich sage nur Management Schiffbauergasse, Schwimmbad, Mercure, Krampnitz, Weisse Flotte. Die Neuen sollen nie das Gefühl bekommen, etwas bewegt zu haben. Spätestens in ihrer zweiten Wahlperiode sind sie dann fast alle so weit, entnervt aufzugeben und denen das Feld zu überlassen, die sich im evolutionären Auswahlprozess als die Stärkeren erwiesen haben.
Dem Gerücht, dass viele dieser Alten nicht aufhören, weil ihre Ehepartner sie nicht ständig zu Hause herumhocken haben wollen, trete ich mit Entschiedenheit entgegen.
Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.
Eberhard Kapuste
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: