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ATLAS: Überpinselt

Nicola Klusemann über die Kapelle im Augustastift

Stand:

Geschichte muss greifbar bleiben, wenn sie begreifbar bleiben soll. Deshalb ist es ein Frevel, wenn – wie im Falle der Kapelle im Kaiserin-Augusta-Stift – historische Ereignisse einfach überpinselt werden. Nicht einmal eine Gedenktafel soll zukünftig daran erinnern, dass der Raum, im dem Stiftsschülerinnen ihre Gebete sprachen, vom russischen Geheimdienst zum Gerichtssaal umfunktioniert wurde. In diesem Raum wurden KGB-Gefangene zum Tode oder 25 Jahre Arbeitslager verurteilt. Der heutige Eigentümer des Stifts plant nun, aus diesem Schreckensort eine Eigentumswohnung zu machen. Nichts soll an die Geschehnisse von damals erinnern. Wenn sie nicht mehr sichtbar sind, geraten sie leichter in Vergessenheit. Manche Orte aber müssen ihren Schrecken behalten, als Mahnung an nachfolgende Generationen. Natürlich ist eine solche Wohnanlage im Zweifel schwieriger zu vermieten, wenn mittendrin ein Platz ist, der für Angst und Qual steht. Darum wurden ja auch schon Kompromisslösungen erarbeitet, um beiden Interessen – denen der Vermarkter und denen der Opfer – gerecht zu werden. Darauf nur wollte sich die kommerzielle Seite wohl nicht mehr einlassen. Stillschweigen jedenfalls macht diese zweifelhafte Entscheidung nicht besser.

Nicola Klusemann

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