Landeshauptstadt: Überraschendes Votum
Urabstimmung an der Universität: 64 Prozent der studentischen Wähler für den Rücktritt des Rektors
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Urabstimmung an der Universität: 64 Prozent der studentischen Wähler für den Rücktritt des Rektors Damit hatten noch nicht einmal die Studierenden selbst gerechnet. Dass an den Wahlen an der Universität mit 21,27 Prozent Wahlbeteiligung fast doppelt so viele Studierende teilnahmen als im vergangenen Jahr, hatte sich schon abgezeichnet. Auch dass bei den gleichzeitig stattfindenden Urabstimmungen über 95 Prozent für die Fortführung des Semestertickets stimmten, war abzusehen. Doch dass knapp 64 Prozent der Wähler Uni-Rektor Wolfgang Loschelder zum Rücktritt aufforderten, das hat auch den Studierendenausschuss AStA überrascht. „So deutlich haben wir das Votum der Studierenden nicht erwartet“, sagte AStA-Chef Martin Bär gestern den PNN. „Ein klares Bekenntnis, demokratische Prinzipien an der Hochschule wieder stärker zu achten und die Studierenden als Gruppe endlich wieder ernst zu nehmen.“ Das Abwahlbegehren ist recht brisant, zumal es bundesweit ein einmaliger Vorgang ist. Vorausgegangen war ein längerer Streit um Gelder für den Hochschulsport, die nach Ansicht des AStA von Rektor Loschelder zu Unrecht blockiert werden. Eine Klage und Dienstaufsichtsbeschwerde folgten, schließlich nach mehreren gescheiterten Kommunikationsversuchen der Aufruf zur Urabstimmung, getragen vom gesamten studentischen Parlament und sechs Fachschaften. Dem Rektor wurde nun auch vorgeworfen, in die Autonomie der Studentenschaft einzugreifen. An dem Ergebnis nun könne Loschelder nicht vorüber gehen. „Wir hoffen, dass den Rektor dieses Ergebnis wachrüttelt – jetzt noch gegen die Studierenden die Universität zu führen, ist wohl unmöglich“, so der AStA-Vorsitzende. Wenig überrascht von dem Ergebnis zeigte sich indes der Rektor selbst. Von über 16 000 Studierenden haben 1800 gegen ihn gestimmt. Das sei keine Mehrheit, es handele sich dabei nur um „die Aktivisten“. Einen Rücktritt schließt Loschelder weiterhin aus. „Als Rektor bin ich vom Senat bis Ende 2006 gewählt, solange ich das Vertrauen des Senats habe, wovon ich ausgehe, fühle ich mich nicht berechtigt, von der Fahne zu gehen“, sagte Loschelder gestern gegenüber den PNN. Die bestehenden „wirklichen Sachprobleme“ sollten nun gelöst werden. „Das ist möglich“, ist sich Loschelder sicher. Die Verletzungen der vergangenen Wochen könne man zwar nicht ungeschehen machen: „Aber nun müssen wir wieder zusammenarbeiten, wir haben ein gemeinsames Interesse: das Wohl der Studierenden.“ Die studentischen Gremien bleiben allerdings hart. Gestern sei ein Schreiben des Studierendenparlaments an das Rektorat herausgegangen, das Loschelder zum Rücktritt bis zum 7. Juli auffordert. Sollte dies nicht geschehen, dann geht die Sache am kommenden Donnerstag in den Senat der Universität. Das oberste Gremium der Hochschule wird dann darüber zu befinden haben, ob ein Abwahlverfahren eingeleitet wird. Dies würde sich mit der Anhörung des Rektors und der Einbeziehung des Wissenschaftsministeriums mindestens noch bis Anfang des kommenden Semesters im Oktober hinziehen. Die Debatte um Loschelder hatte vor der Wahl schnell die sachliche Ebene verlassen. Man bezichtigte sich gegenseitig der Lüge, die Plakate der Kampagne gegen den Rektor waren zum Teil recht diffamierend, was auch der AStA feststellen musste. Dass wiederum sachliche Plakate über Nacht verschwanden, war für die Studenten einmal mehr ein Anlass dafür, über die „Demokratiefähigkeit der Unileitung“ nachzudenken. Unterm Strich ergab sich vor der Abstimmung das Bild einer reichlich verfahrenen Situation. Gespannt darf man nun das Votum des Senats erwarten. Eine Stimme hat Loschelder sicherlich schon gegen sich: AStA-Chef Martin Bär wurde als einer der beiden studentischen Vertreter in den Senat gewählt. Bei aller Aufregung über das Abwahlbegehren geriet das Wahlergebnis zum Studierendenparlament (www.asta.uni- potsdam.de) gestern etwas in den Hintergrund. Zu Unrecht, fiel es doch für eine Partei recht eindeutig aus: die Grün-Alternative-Liste (GAL) ging mit 1907 Stimmen als Wahlsieger hervor (6 Sitze), ebenfalls sechs Sitze erreichte die Offene Linke Liste OLL mit 1680 Stimmen. Von der GAL war nun zu erfahren, dass eine Koalition mit der OLL oder den Jusos (954 Stimmen, 3 Sitze) geprüft werde.
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