Aus dem GERICHTSSAAL: Üble Richterschelte
Angeklagter vermutlich eingeschränkt schuldfähig
Stand:
„Ich heiße Herr Mohammed M.*“, betont der 64-Jährige aufgebracht und mehrfach. „Schließlich lebe ich im zivilisierten Deutschland. Und das seit 45 Jahren.“ Der wegen Beleidigung einer Richterin des Amtsgerichts Angeklagte wurde – wie es üblich ist – lediglich mit seinem Namen in den Saal gerufen. Den Namen will er bei der Überprüfung der Personalien auf einmal „vergessen“ haben, ebenso Alter und Beruf. Auch über seine Staatsbürgerschaft macht der dunkelhäutige Mann keine Angaben. „Sie haben mich hierher bestellt. Ich bin gekommen. Nun sprechen Sie schon Ihr vorgefasstes Urteil“, sagt er zu Richterin Waltraud Heep.
Laut Anklage soll Mohammed M. am 26. August 2008 – da saß er zum wiederholten Mal wegen Beleidigung auf der Anklagebank – der damaligen Vorsitzenden während der Verhandlung unter anderem geistige Verwahrlosung, Richterwillkür, Chauvinismus, Militarismus und eine imperialistische Rechtsauffassung vorgeworfen haben. In mehreren Schreiben unterstellte er der Juristin später Fremdenfeindlichkeit und eine rüde, von Vorurteilen geprägte Haltung. Auch Amtsrichterin Heep ist vor den Hasstiraden des Angeklagten nicht sicher. „Ich widerspreche Ihrem Vorsitz und beantrage die Vertagung des Prozesses“, fordert Mohammed M. mit immer lauter werdender Stimme. „Sie sind schuldig, weil Sie nicht nach dem Grundgesetz handeln. Ich vermute, ich muss heute nur hier sein, weil meine Hautfarbe so schwarz ist wie Ihre Robe. Das ist Knüppeljustiz. Schließlich leben wir nicht mehr in der DDR. Kann ich jetzt nach Hause gehen?“, fragt er provokativ.
Zwei vorsorglich im Saal postierte Justizbeamte haben die Tür im Blick. Doch Mohammed M. bleibt sitzen, bombardiert die Richterin weiter mit Begriffen wie „Rechtsbeugung“, „Voreingenommenheit“ und „Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte“. Amtsrichterin Heep unterbricht die Verhandlung, verkündet einige Minuten später: „Die Ablehnung der erkennenden Richterin wird als unzulässig verworfen. Der Angeklagte wiederholt schematisch und ohne, dass die erkennende Richterin sich bisher geäußert hat, die Vorwürfe, die er der Vorsitzenden des früheren Verfahrens gegenüber erhoben hat. Der Ablehnungsversuch verfolgt lediglich den Zweck, den Prozess zu verschleppen und Angehörige der Justiz grundlos zu diffamieren.“
Mohammed M. kündigt an, sich bei der Präsidentin des Amtsgerichts zu beschweren. Dann erklärt er wütend: „Die Vorwürfe der Anklage treffen zu. Es hat mir gut getan, so zu handeln. Ich bin kein Verbrecher. Ich erinnere die Leute nur an die historischen Hintergründe. Dass Sie das Beleidigung nennen, verstehe ich nicht.“ Das Urteil – eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je zehn Euro – akzeptiert der eventuell vermindert Schuldfähige nicht. Er will umgehend Berufung einlegen. (*Name geändert) Hoga
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