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Sport: Ultralang immer im Kreis

Der Potsdamer Michael Hopp wurde in Kienbaum Altersklassenmeister über 100 Kilometer. Das Rennen gilt in der Szene als Klassiker

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Als an diesem Samstag um 6.30 Uhr in Kienbaum der Startschuss für die Berlin-Brandenburgischen Meisterschaften über 100 Kilometer fällt, ist auch Michael Hopp unter den Startern. Der 53-Jährige vom ESV Lok Potsdam ist auf den langen Strecken zu Hause. In den letzten zehn Jahren hat er fast jedes Jahr ein Mammutprogramm absolviert: Er ging im schweizerischen Biel (100km), bei der Harzquerung (51km), beim Rennsteiglauf (72,7km) und beim Müritzlauf (76,7km) an den Start. Und natürlich auch in Kienbaum. Das Bundesleistungszentrum liegt ja fast vor seiner Haustür.

Sonst nehmen Ultraläufer gern längere Anreisen in Kauf, um neue Strecken jenseits der Marathondistanz (42,195km) auszutesten. Als Hopp in Kienbaum seine erste von 20 Runden absolviert hat, wird er vom Sprecher Eckhard Broy indes als alter Bekannter begrüßt: „Und da kommt Micha Hopp, der für den Einkauf der Athleten zuständig ist. Aber dazu später mehr.“

Innerhalb der Ultraszene kennt man sich, Sprecher Broy gilt als Unikat. Er kennt alle Läufer, die hier am Start sind – und hat darüber hinaus ein beinahe enzyklopädisches Wissen, was Läufer und Begebenheiten bei noch so abwegigen Ultras betrifft. Vor sich auf seinem Sprechertisch hat er etliche Aktenordner mit Informationen zu den Läufern aufgebaut, das meiste aber kann er aus dem Gedächtnis abrufen. „Alle denken, der Ecki macht das hier ganz locker. Aber das ist harte Arbeit“, verrät er. In der Tat: Er hat noch mehr als zehn Stunden Moderation vor sich. Seinen Kommentar zu Michael Hopp klärt er mit einem Schmunzeln auf: „Mit Geld kann hier ja keiner rechnen, wer hier läuft, der läuft einzig um Ruhm und Ehre.“ Sicherlich können die aktuellen Stars der Szene – Kilian Jornet aus Spanien oder die Amerikaner Scott Jurek und Dean Karnazes – vom Laufen leben. An diesem letzten März-Samstag in Kienbaum werden tolle Leistungen geboten – aber finanziell profitiert hier niemand. Als Eckhard Broy, der als Sieger die Premiere in Kienbaum 1992 in 7:47 Stunden gewann, bekam er als Siegprämie immerhin ein Mountainbike. „Und ich war ein Jahr Streckenrekordhalter“, fügt er schmunzelnd hinzu.

Bis 1992 wurden die 100 Kilometer in Grünheide gelaufen. Initiiert von den märkischen Ultra-Pionieren Wolfgang Dahms und Roland Winkler, die beide ein Wochenendgrundstück in der Nähe von Grünheide besaßen, wurde die Generalprobe 1976 mit sechs Teilnehmern gelaufen, die Hälfte von ihnen erreichte das Ziel. Im Jahr darauf gab es die ersten offiziellen „100 Kilometer von Grünheide“, die sich zu einem Szene-Klassiker entwickelten. 38 Teilnehmer standen am Start, 14 kamen ins Ziel, Roland Winkler gewann. In den folgenden Jahren fand der Lauf regelmäßig statt, lediglich Ende der 80er-Jahre fiel er zwischen 1986 und 1988 dreimal aus. 1990 musste der Start wiederholt werden, weil sich einige Teilnehmer verlaufen hatten: Die Streckenposten waren noch nicht vor Ort und einige Teilnehmer intuitiv falsch gelaufen.

Das kann in Kienbaum nicht mehr passieren: Die 5-Kilometer-Runde lässt ein Verlaufen nicht zu. Allerdings hat die Runde nicht mehr den Charme der alten 10-Kilometer-Waldrunde in Grünheide – gelaufen wird auf einer glatten Asphaltdecke, die zu DDR-Zeiten als Trainingsstrecke für die Läufer und auch Radfahrer angelegt, die in der einstigen Kaderschmiede trainierten.

Das heutige Bundesleistungszentrum bietet inzwischen für die Unterbringung der Ultraläufer bessere Möglichkeiten als in Grünheide, wo in FDGB-Ferienheimen geschlafen wurde. Heute reisen die Teilnehmer meist am Tag vor dem Rennen an, übernachten in dem Leistungszentrum, um früh am Morgen den langen Tag zu beginnen. Was zudem noch für Kienbaum spricht: Die Strecke ist offiziell vermessen, damit bestzeitentauglich und somit geeignet für eine Deutsche Meisterschaft im Straßenlauf – so wie bereits viermal in den vergangenen zehn Jahren.

Nach 9:43:07 Stunden erreicht Michael Hopp das Ziel. Der Potsdamer hat sich damit in seiner Altersklasse in der M 50 den Titel des Berlin-Brandenburger Meisters im 100-Kilometer-Straßenlauf gesichert.

Sven Eppelsheimer

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