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Homepage: Umstrittenes Heilsversprechen

Das Projekt „CO2SINK“ in Ketzin soll zur Rettung des Klimas beitragen / Skeptische Reaktionen „Das Problem der Endlagerung hat Gorleben-Potenzial“

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Im kenianischen Nairobi wird seit Montag auf der zweiten Weltklimakonferenz die Verminderung des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes diskutiert. Ein Teil der Lösung könnte jetzt in Ketzin bei Potsdam gefunden werden. In der Versuchsstation „CO2SINK“ wird Kohlendioxid in geologische Erdschichten gepumpt und beobachtet (PNN berichteten). Industrie und Wissenschaft versprechen sich viel von der Idee, das Klimagas in Zukunft in der Erde zu lagern. Langzeitrisiken und -kosten sind jedoch noch unerforscht.

„Kohlendioxid ist beherrschbar“, diesen optimistischen Slogan gibt Ketzins Bürgermeister Bernd Lück in diesen Tagen aus. Er sieht „CO2SINK“ mit Zuversicht entgegen. „Die Stadt kann sich mit diesem Projekt profilieren. Und das Gelände der Versuchsstation lag ohnehin brach,“ so Lück. Auf dem Gebiet einer vormals unterirdischen Gasspeicherstätte wurden drei Bohrungen bis 600 Meter Tiefe durchgeführt. Mehrere Zehntausend Tonnen CO2 sollen dort ab Dezember in die Schilfsandsteinschicht injiziert und dann messtechnisch überwacht werden. Natürliche Ton- und Gipssteinschichten umgeben die Speicherschicht und sollen ein Austreten des Kohlendioxids verhindern.

Das Projekt wurde im April 2004 gestartet und ist an eine Laufzeit von fünf Jahren geknüpft. Das GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) koordiniert das von der EU geförderte Projekt. Insgesamt sind 45 internationale Forschungsinstitutionen und Industrieunternehmen am Projekt beteiligt. „CO2SINK“ soll das wissenschaftliche Verständnis der geologischen Speicherung von Kohlendioxid weiterentwickeln und die im Untergrund ablaufenden Prozesse der CO2-Injektion erforschen. Damit ist Ketzin weltweit der erste Standort, an dem die Ausbreitung des CO2 direkt an der Stelle der Injektion im Untergrund beobachtet werden kann.

In der Bevölkerung gibt es allerdings Vorbehalte. „Das wird uns alles um die Ohren fliegen,“ meinte unlängst eine Ketziner zur unterirdischen CO2-Speicherung. „Ist das nicht giftig?“ ist eine häufig gestellte Frage. Bürgermeister Lück verweist auf die vom Rathaus angebotenen Informationsabende zu dem Vorhaben. „Leider kamen nur wenige Interessierte und stellten Fragen“, erzählt Lück. „CO2 ist schwerer als Luft und kann daher nicht austreten, erklärte ein Experte vom GFZ. „Und explodieren kann es auch nicht“, so Lück. Größtenteils herrsche noch Gleichgültigkeit unter den Ketzinern. Der Bürgermeister: „Bisher wurden an uns weder Bedenken noch Lob herangetragen.“

Inhaltliche Diskussionen zum Konzept der geologischen CO2-Speicherung liefern sich derweil Vertreter aus Industrie und Umweltschutz. Ein „CO2SINK“-Mitinitiator, der Energieriese „Shell“, lud unlängst zu einem Informations- und Diskussionsforum. Der schmissige Titel der Veranstaltung lautete: „Das Klima zwingt zum Handeln – CO2 zurück in die Erde“. Die Botschaft der Eröffnungsrede von Graeme Sweeney, dem Geschäftsführer der „Shell Renewables International“, ließ sich auf die Formel „Eine Tonne in der Erde gespeichertes CO2 ist so gut wie eine vermiedene“ zusammenfassen.

Forumsteilnehmer Klaus Töpfer warf der Industrie vor, mit einer halbherzigen Technologie aufzuwarten, deren Zukunftsrisiken unklar seien. Der Ex-Bundesumweltminister fragte: „Wenn wir die CO2-Lagerung haben, werden wir dann weiter in Erneuerbare Energien investieren? Und wenn die Lagerung, wie angedacht, auch in den Meeren erfolgt, droht uns dann nicht vielleicht ein zweiter Klimawandel?“

Die Industrie, in Person von Dr. Antonio Pflüger von der „International Energy Agency“, argumentierte dagegen, die CO2-Speicherung als mittelfristige Lösung zu betrachten. Angesichts der wachsenden Industrien in China, Indien und Brasilien und dem weiter steigenden CO2-Ausstoß sei schnelles Handeln geboten. Besonders die Politik, so Pflüger, sei jetzt gefordert, den gesetzlichen Rahmen für die CO2-Speicherung zu schaffen.

Prof. Emmermann, Vorstandsvorsitzender des GFZ Potsdam, drückte auf dem Forum seine Hoffnung aus, dass die Natur das in den Erdschichten gespeicherte CO2 „ausheilen“ werde. Das Ketzin-Projekt werde dazu viele Aufschlüsse vermitteln. Dr. Felix Matthes vom Öko-Institut Berlin sieht allerdings ein Problem in der gesellschaftlichen Akzeptanz der CO2-Speicherung. Matthes: „Die Problematik der Endlagerung hat Gorleben-Potenzial.“ Ketzin ist jedoch nicht als CO2-Endlagerstätte vorgesehen. Und Bürgermeister Lück beruhigt: „Wenn es bei der CO2-Speicherung zu Komplikationen kommen sollte wird das Projekt sofort eingestellt.“

Eik Dödtmann

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