Aus dem GERICHTSSAAL: Unanständige Worte
Angeklagter in seiner Entwicklung weit zurück / Stiefvater: „Er sagt oft etwas, was er eigentlich nicht will“
Stand:
Die kleinen Jungs müssen nicht in den Zeugenstand und die Worte wiederholen, die ihnen am 16. Juni auf dem Plantagen-Spielplatz zu Ohren kamen. Der Staatsanwalt spricht von „Reden pornografischen Inhalts“. Die seien genauso strafbar wie die Verbreitung von Schmuddelschriften. Markus M.* (20) ist geständig. „Ich habe es zwar gesagt, aber ich hätte es nie getan“, beteuert der Förderschulabgänger. So richtig kann er die ganze Aufregung wohl kaum verstehen. „Wollten Sie vor den Kindern angeben?“, fragt Jugendrichterin Rita Franke. „Oder haben Sie sich in diesem Moment gewünscht, mit Ihrer Freundin zusammenzusein?“ „Vielleicht“, brummt Markus M. mit gesenktem Kopf. Die Vorsitzende bittet den Stiefvater des Angeklagten in den Zeugenstand. Er ist gleichzeitig der gerichtlich bestellte Betreuer von Markus M. Sein Stiefsohn sei zu 80 Prozent geistig behindert. Sein geistiger Zustand entspräche dem eines Sechs- oder Siebenjährigen, erzählt der Mann. Anfangs sei dies nicht aufgefallen. Markus sei altersgemäß eingeschult worden, habe nach der dritten Klasse dann aber auf die Förderschule wechseln müssen. Nach dem Abschluss der zehnten Klasse besuche er seit September die Diakonischen Werkstätten auf Hermannswerder, könne hier entsprechend seinen Fähigkeiten ausgebildet werden. Markus reagiere oft unangemessen, schätzt der Stiefvater ein. So falle es ihm schwer, Wortgefechten zu folgen und sich adäquat einzubringen. „Er sagt dann öfter etwas, was er eigentlich nicht will und was völlig unpassend ist, absolviere deshalb zur Zeit eine Gesprächstherapie. Um die haben wir uns übrigens selbst gekümmert.“ Die Ausdrücke, die Markus vor den Grundschülern von sich gegeben haben soll, kenne er allerdings nicht von seinem Stiefsohn .
„Anfangs bemerkt man Markus geistige Defizite nicht. Aber je länger man sich mit ihm unterhält, desto deutlicher fällt auf, dass etwas nicht stimmt. In einer Unterhaltung ist er schnell überfordert“, berichtet die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. Der Gutachter bescheinigte dem jungen Mann eine mittelgradige Intelligenzminderung , die mit einer Verhaltensstörung einhergehe. Markus M. müsse lernen, mit seinen geheimsten Wünschen umzugehen, führt Richterin Franke aus. Es könne nicht sein, dass er derartige Äußerungen vor Grundschülern von sich gebe. Bestraft werden solle er diesmal aber noch nicht. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wird das Verfahren eingestellt. Allerdings muss Markus M. die Therapie bei dem Kinder- und Jugendpsychologen fortsetzen, sie nach Möglichkeit erfolgreich beenden und dies dem Gericht umgehend mitteilen. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga
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