Von Michael Meyer: Unbekannter Faktor mit vier Beinen
Zwei Potsdamer OSC-Athleten starten in der nächsten Woche bei den Weltmeisterschaften der Modernen Fünfkämpfer in Chengdu
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Stefan Köllner vom OSC Potsdam wird in der kommenden Woche im chinesischen Chengdu seine zweiten Weltmeisterschaften im Modernen Fünfkampf erleben. Luftpistole, Degen, Schwimmanzug und Laufschuhe wird er dorthin mitnehmen, doch das vierbeinige „Sportgerät“ für die dritte Teildisziplin stellen traditionell die Gastgeber. „Die Pferde werden uns dort zugelost, und dabei muss man immer auch ein bisschen Glück haben“, sagt der 25-Jährige, der am heutigen Mittwoch aus Rom heimkehrt, wo Deutschlands Fünfkämpfer ihre unmittelbare Wettkampfvorbereitung hatten. In Chengdu werden neben Köllner die beiden Berliner Sebastian Dietz und Delf Borrmann sowie sein Vereinskollege Matthias Lehmann, der für den verletzten Steffen Gebhardt nachnominiert wurde, die deutschen Farben bei den Männern vertreten.
Nach seiner WM-Premiere im vergangenen Jahr in London fliegt der Potsdamer am Wochenende „entspannter nach China, weil ich meine eigenen Erwartungen in diesem Jahr schon übertroffen habe“, so Köllner. Schließlich gewann der diesjährige Deutsche Meister Mitte Juli bei den Europameisterschaften im ungarischen Debrecen gemeinsam mit Borrmann und Gebhardt Team-Gold sowie völlig überraschend Bronze im Einzel, als er sich im abschließenden Combined – der Kombination aus Laufen und Schießen – noch vom 18. auf den dritten Rang vorkämpfte. „Mit einem Platz unter den Top 10 hatte ich schon geliebäugelt, aber dass es sogar eine Medaille wurde, war vorher nicht absehbar“, meint Köllner. „Sie ist Balsam für die Seele und Genugtuung für mein jahrelanges Training.“
Schließlich strebt der gebürtige Potsdamer schon seit langem nach Bestleistungen im Degenfechten, Pistolenschießen, 200-Meter-Freistilschwimmen, Springreiten und 3000-Meter-Laufen. Als Achtjähriger begann er 1992 mit dem Modernen Fünfkampf, der zwei Jahre zuvor im Potsdamer Luftschiffhafen wiederbelebt worden war, nachdem ihm seit den 60er Jahren die damalige DDR-Sportführung alle Grundlagen entzogen hatte. „Ich war damals einer der jungen Sportler der ersten Stunde“, erinnert sich der in der Waldstadt aufgewachsene Stefan Köllner, der am Espengrund-Gymnasium das Abitur machte und auch als Teenager seinem Sport treu blieb, als seine Kumpel lieber Fußball spielen gingen. „Heute bin ich froh, dass ich durchgehalten habe – es hat sich gelohnt“, bilanziert der jetzige Sportsoldat. Er ist mittlerweile Aushängeschild der 120 Mitglieder starken OSC-Abteilung, deren rund 40 Aktive von Claudia Adermann (Laufen und Schwimmen), Jördis Schmidt (Schießen), Bernd Uhlig, Uwe Zimmermann (beide Fechten) und Jörgen Höfner (Schwimmen und Gesamtkoordination) trainiert werden.
Stefan Köllner sieht seine größten Reserven noch im Fechten. „Die Schnelligkeit ist da, aber technisch ist noch mehr drin“, meint er. Auch im Schwimmen und Laufen seien noch ein, zwei Sekunden Steigerung möglich. Entgegengekommen sei ihm die Zusammenlegung von Schießen und Laufen seit 2009 zum Combined. „Früher hatte man für jeden Schuss 40 Sekunden Zeit – da konnten einem tausend Gedanken durch den Kopf gehen. Jetzt geht alles viel schneller.“ Der Fünfkämpfer muss, ähnlich wie beim Biathlon, während des Laufens mehrmals aus zehn Metern möglichst schnell die fünf Zentimeter große Scheibe treffen und dabei vor allem auf seine Atmung achten. „Damit komme ich immer besser klar, da ist ein Aufwärtstrend zu spüren“, meint Köllner.
Auch das Reiten klappt für den Potsdamer gut; nicht zuletzt dank der seit diesem Jahr bestehenden Kooperation der Modernen Fünfkämpfer des OSC mit dem Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt Neustadt/Dosse, in dem Köllner unmittelbar vor dem Abflug nach Rom noch vier Trainingseinheiten absolvierte. „Da ging es noch einmal um die eigene Technik“, erklärt er. „Um das richtige Sitzen im Sattel, ein vernünftiges Auge und das richtige Feeling für die Geschwindigkeit vor dem Absprung, die man dem Pferd ja mit Zügel und Schenkeldruck vorgeben muss.“
Um überhaupt aufs Pferd zu kommen, wird Stefan Köllner bei den WM aber erst einmal in die Endrunde der besten 36 Modernen Fünfkämpfer einziehen müssen. Die drei Halbfinals, in denen sich die jeweils besten zwölf Athleten qualifizieren, werden ohne das Reiten ausgetragen. „Mein Ziel in China ist erst einmal das Finale“, erklärt Köllner, dem bei den WM 2009 dieser Sprung nicht gelungen war. „Und sollte es dann im Finale ähnlich gut laufen wie bei den EM, sollte wieder eine Top-10-Platzierung drin sein – oder sogar mehr.“
Dazu werde er in Chengdu auch mit dem zugelosten Pferd klarkommen müssen, so Köllner. „Das Niveau der Pferde ist bei solch großen Wettkämpfen meist recht ausgeglichen, und die Tiere müssen vorher auch nachweisen, dass sie den WM-Parcours gehen können“, erläutert der Potsdamer, der wie alle WM-Finalisten eine halbe Stunde vor dem Reiten eine Kurzbeschreibung des ihm zugelosten Pferdes zum Lesen bekäme. „Da gibt es ganz unterschiedliche Typen“, weiß Köllner. „Schnelle und langsame beispielsweise, ehrliche und auch unehrliche, die kurz vorm Hindernis nach rechts oder links wegziehen. Das ist bei einem solchen Wettkampf immer der größte unbekannte Faktor.“
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