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Von Reinhard Hüttl: Unendliche Energie

Den Geowissenschaften kommt bei der Suche nach neuen Energiequellen eine Schlüsselrolle zu

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Das Wissenschaftsjahr 2010 befasst sich mit der „Zukunft der Energie“. In den PNN stellen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums GFZ in Potsdam ihre Forschungsprojekte dazu vor.

Das Thema „Energie“ geht alle an. Denn es ist offensichtlich, dass der heutige ungebremste Rohstoff- und Energieverbrauch langfristig unmöglich ist. Den Geowissenschaften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, denn die uns zur Verfügung stehende Energie stammt aus dem System Erde. Das gilt sowohl für die konventionellen als auch für die regenerativen Energiequellen. Besonders deutlich wird die Dramatik dieser Situation, wenn man das Wachstum der Weltbevölkerung auf neun Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 berücksichtigt.

Die Forschung zum Thema Energie am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, dem Helmholtz-Zentrum in Potsdam, umfasst einen weiten Bereich. Wie bilden sich Lagerstätten energetischer Rohstoffe, wo finden sie sich, welche tektonischen Prozesse liegen dem zugrunde? Was ist Geothermie? Sind Methanhydrate oder Gas aus Schiefergestein künftige Energiequellen? Wohin mit dem unvermeidlichen Kohlendioxid? Fragen, denen die Geoforscher nachgehen. Die „Zukunft der Energie“ ist ohne die Geowissenschaften also kaum denkbar.

Ein Blick auf die Energiebilanzen der Industrieländer zeigt, welch enorme Energieverschwendung wir uns bis heute leisten. Effizientere Verwendung der Energie ist die beste Möglichkeit, Energie zu sparen. Das beginnt bereits bei der Exploration: Geowissenschaftler des GFZ entwickeln neue Möglichkeiten der Prognose von Erdölqualität, bevor teure Bohrungen durchgeführt werden. Integriert man Geochemie und Mikrobiologie mit Verfahren der Beckenmodellierung, lassen sich gebenenfalls die Auswirkungen der Biodegradation von Erdöl im Untergrund vorhersagen, eine Voraussetzung zur optimalen Nutzung von Kohlenwasserstoff-Lagerstätten.

Neuere Schätzungen gehen davon aus, dass „brennendes Eis“, also Gashydrate, eine zukünftige Energiequelle sein könnte, die quantitativ noch entschieden größer ist als alles Erdöl zusammen. Diese Methanhydrate bilden sich bei hohem Druck und niedrigen Temperaturen vor allem in den Sedimenten an den Kontinenthängen. Solche Hänge sind aber potenziell instabil. Es besteht also bei extensiver Förderung durchaus die Möglichkeit von untermeerischen Hangrutschungen. Die aufgrund natürlicher Prozesse abgegangene Storegga-Rutschung am Kontintalschelf von Norwegen vor 8000 Jahren erzeugte einen gewaltigen Tsunami. Die Geowissenschaften untersuchen derzeit diese Zusammenhänge, um Risikoabschätzungen vornehmen zu können.

Nach allen seriösen Berechnungen werden fossile Brennstoffe auch in absehbarer Zukunft noch einen wesentlichen Bestandteil der Weltenergieversorgung darstellen. In Ketzin untersucht das GFZ in einem Langzeitvorhaben, ob sich Kohlendioxid in einem salzwasserführenden Sandstein in etwa 700 Metern Tiefe speichern lässt. Sollte sich dieser Weg als gangbar erweisen, wäre damit ein Reservoir gefunden, in dem sich gewaltige Mengen dieses Treibhausgases speichern ließen, und zwar weltweit. Zumindest für große Punktquellen könnte sich über diese Technologie auch eine Option für die sich entwickelnden Volkswirtschaften Asiens und Afrikas eröffnen.

Die üblicherweise als regenerativ bezeichneten Energieformen Wind, Sonne, Biomasse, Erdwärme, Gezeiten stellen uns Energie sozusagen im Alltagsbetrieb des Systems Erde zur Verfügung. Ihr Anteil an der Primärenergie Deutschlands liegt heute noch unter fünf Prozent, deutlich zu niedrig.

Unsere Erde selbst ist ein enormer Wärmekörper mit – nach menschlichen Maßstäben – unendlicher Energie. Die Nutzung der Geothermie als Wärmequelle findet sich an vielen Stellen unseres Planeten, vor allem dort, wo die Erde sie uns sehr oberflächennah bereitstellt. Deutschland hat nicht so günstige geologischen Bedingungen wie etwa Island. Aber auch hierzulande offeriert die Erde uns nutzbare Wärme. Dennoch stammt lediglich ein Prozent der regenerativ erzeugten Endenergie in unserem Land aus der Geothermie.

Im Internationalen Geothermie-Zentrum des GFZ steht die Erforschung und Nutzung der Erdwärme im Fokus. In Deutschland ist in tiefen Heißwasseraquiferen mit Temperaturen über 100 Grad Celsius ein Potenzial von 3000 Terawattstunden (TWh) gespeichert. Man könnte damit 100 Jahre lang ein Drittel der heutigen Wärmebereitstellung aus allen erneuerbaren Energien sichern. Die oberflächennäheren Ressourcen (mit Temperaturen unter 100 Grad) bieten weitere 150 Terawattstunden pro Jahr.

Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Hüttl ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ in Potsdam.

Reinhard Hüttl

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