
© A. Klaer
Landeshauptstadt: „Unerträgliches“ Sonnenlicht in den Kellerzellen
Ortsgespräch der Denkmalpflege in Gedenkstätte Leistikowstraße / Dauerausstellung in eineinhalb Jahren
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Nauener Vorstadt - Eine neue Dauerausstellung für die Gedenkstätte Leistikowstraße 1 in eineinhalb Jahren hat deren Leiterin Ines Reich angekündigt. Für die dafür notwendige Forschung „brauchen wir Ruhe“, erklärte die promovierte Historikerin gestern beim 1. Ortsgespräch 2009, zu dem das Landesamt für Denkmalpflege ins neue Einganggebäude des ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnisses der sowjetischen Spionageabwehr in Ostdeutschland eingeladen hatte. In Kürze werde eine Projektgruppe zusammengestellt, deren Aufgabe es ist, die Geschichte des Hauses zu erforschen. Bis zur Eröffnung einer neuen Dauerausstellung ist die Gedenkstätte am Wochenende für individuelle Führungen und am Mittwoch für Schulklassen geöffnet.
Vor zahlreichen Besuchern berichteten Denkmalpfleger und Architekten gestern über die Restaurierungsarbeiten an dem als Gefängnis missbrauchten ehemaligen Pfarrhaus des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins (EKH). So legte Thomas Drachenberg vom Landesamt für Denkmalpflege dar, warum von der Idee Abstand genommen wurde, das Gefängnis innerhalb einer Hülle zu konservieren. Der Unterhalt dieses Überbaus wäre zu hoch gewesen und es hätte ein die Welterbe-Umgebung beeinträchtigendes „dominantes Bauvolumen“ dargestellt. So fiel die Entscheidung, das Haus im 1994er Zustand baulich zu retten, ohne seinen Zeugniswert zu schmälern. Das ehemalige Geheimdienstgefängnis gilt heute als Gedenkstätte von europäischem Rang. Das Haus ist ein authentischer Ort stalinistischer Gewaltherrschaft, zahlreiche Zivilisten, auch Potsdamer, wurden darin gefoltert, viele zum Tode verurteilt.
2,8 Millionen Euro Fördergelder standen zur Verfügung, so die städtische Denkmalpflegerin Sabine Ambrosius. Wegen Schwammbefalls musste das Dach und die Decke im Obergeschoss erneuert werden. Neu ist ebenso die Elektrik. Im Sockelbereich wurden Heizrohre eingebracht, um das Mauerwerk zu trocknen. Richard Buchner vom Förderverein warf die Frage auf, ob der Dachstuhl zu DDR-Zeiten abgebrannt ist. Wolfgang Brune, Architekt von Restaurierung und Neubau, erklärte, Spuren eines Brandes wurden nicht gefunden. Der Restaurator Christoph Gramann informierte, dass im Putz der Mauerkrone die Jahreszahl „1974“ gefunden wurde – offenbar war das originale Dachgeschoss in den 70ger Jahren entfernt worden.
Kritisch sieht Richard Buchner, dass die Sonne am Nachmittag die Kellerzellen durchflutet. Das sei „unerträglich“. Die Sichtblenden an den Kellerfenstern seien „integraler Bestandteil“ des Gefängnisbaus gewesen. Es sei kein Argument, dass diese Brettchen nicht mehr vorhanden sind. Rekonstruktion war nicht ihre Aufgabe, entgegnete Sabine Ambrosius; der Versuch, Blendfolie auf die Fenster aufzubringen, sei erfolglos gewesen. Kritik am Service-Neubau übte Jan Fiebelkorn-Drasen von der Nachbarschaftsinitiative „Am Neuen Garten zu Potsdam e.V.“: Es sei „ästhetisch banal“, wenn der Betonbau „symbolisch Härte nachäfft“. Fiebelkorn-Drasen: „Wir brauchen keinen Trauerkloß.“ Ihm wäre etwas Leichtes als Kontrast lieber gewesen. Der Potsdamer Architekt Christian Wendland findet dagegen „die Arbeit insgesamt überzeugend“. Um ein Negativbeispiel zu nennen, erinnerte Architekt Brune an das „Braune Haus“ in München – das erste eigene Haus der NS-Bewegung, das Haus, in dem erstmals NS-Folter stattfand. Brune zufolge wurde die Keller des Braunen Hauses 2005, 60 Jahre nach Kriegsende, erstmals freigelegt und architektonisch untersucht – und dann abgetragen. Guido Berg
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