Von Sabine Schicketanz: Unesco prüft Fall Glienicker Horn
Eigentümer wollen nach Aufhebung des Bauverbotes schnelle Genehmigung und Schadenersatz
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Berliner Vorstadt - Die Landeshauptstadt Potsdam ist wieder ins Visier der Welterbe-Hüter geraten: Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) das Bauverbot der Stadt für vier Grundstücke am Glienicker Horn kassiert hat, will die deutsche Unesco-Kommission den Sachverhalt „eingehend prüfen“, so ihr Sprecher Dieter Offenhäußer. Unabhängig davon werde möglicherweise das Unesco-Welterbekommitee, das über Aufnahme und Fortbestand von Kulturstätten auf der Welterbe-Liste entscheidet, den Fall Potsdam einschätzen. „Das wird aber bestimmt nicht von heute auf morgen geschehen“, so Offenhäußer.
Neben dem Ärger mit der Unesco drohen der Stadt erhebliche Schadenersatzforderungen der Grundstückseigentümer am Glienicker Horn. Man werde Potsdam in den nächsten Tagen bitten, für die Verluste durch das Bauverbot aufzukommen, sagte Rechtsanwalt Klaus-Martin Groth, der zwei Commerzbank-Tochterfirmen vertritt, denen drei der vier Bauflächen am Horn gehören. „Wir werden der Stadt genau ausrechnen, wie hoch der Verlust ist, und sie bitten, das Geld zu überweisen.“ Pro Tag müsse mit 400 Euro Verlust gerechnet werden, insgesamt bisher mehr als 300 000 Euro. Gleichzeitig erwarte seine Mandantschaft, dass nun ohne Verzögerung über die Bauvoranfragen für die drei ursprünglich geplanten Villen „Palladio“, „Syringa“ und „Luce“ entschieden werde.
Wegen dieser Villen hatten die Unesco-Welterbehüter bereits Mitte der 1990er Jahre Alarm geschlagen: Damals drohte Potsdam wegen den als Bausünde geltenden Stadtvillen auf der Landzunge direkt an der Glienicker Brücke, vis á vis dem Babelsberger Schloss, die Rote Liste des gefährdeten Welterbes. Als Kompromiss zwischen Stadt und Unesco waren damals die vier Grundstücke direkt am Tiefen See unbebaut geblieben. Potsdam hatte es jedoch in der Folge versäumt, das Baurecht in Einigung mit den Eigentümern zu streichen. Dies fiel der Stadt erst auf, als vor fünf Jahren ein ehemaliger Bankier aus Nordrhein-Westfalen eines der vier Grundstücke erwarb und dort bauen wollte. Die Stadt reagierte zunächst mit einer sogenannten Veränderungssperre, die für zwei Jahre jegliche Bauten untersagt. Im Mai 2008 beschlossen die Potsdamer Stadtverordneten dann den geänderten Bebauungsplan, der die Baugrundstücke zu privaten Grünflächen erklärte. Das einst teuerste Bauland Potsdams hatte damit nun den Wert eines Kleingartens.
Diesen Bebauungsplan kassierte nun das OVG; der Schutz des Welterbes als Planungsziel der Stadt Potsdam habe das Gericht „ausdrücklich gebilligt“, so Sprecherin Christine Scheerhorn. Allerdings könne Potsdam nicht seine „frühere Fehlplanung einseitig und ohne angemessenen Ausgleich“ zu Lasten der Grundstückseigentümer korrigieren. Die Stadt habe die Grundstücke entwertet und damit den „Schutz des Privateigentums“ nicht „ordnungsgemäß berücksichtigt“. Eine Revision ist nicht zugelassen; Potsdam könnte dagegen aber Beschwerde einreichen.
Vor einem Jahr hatte das OVG bereits den Bebauungsplan der Stadt Potsdam für das Ufer des Griebnitzsees kassiert. Die Begründung ist nahezu wortgleich: Potsdam habe bei seinen Plänen für einen öffentlichen Uferweg das Privateigentum nicht genügend berücksichtigt. Der Uferweg ist seitdem gesperrt, ein neuer Bebauungsplan in Arbeit. Dieser soll nun über 6300 Quadratmeter privater Flächenverlaufen; ursprünglich hatte Potsdam 16 500 Quadratmeter Privatland beansprucht. Im Fall Griebnitzsee befindet sich die Landeshauptstadt aber auch mit dem Bund im Konflikt: Das Bundesfinanzministerium will seine 32 000 Quadratmeter Uferfläche nicht mehr direkt an die Stadt verkaufen, sondern ausschreiben. Nun will Potsdam morgen ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten eines Verwaltungswissenschaftlers vorstellen, wonach das Vorgehen des Bundesfinanzministeriums nicht richtig sei.
Im Fall Glienicker Horn ist die neue Strategie der Stadt bislang unklar. Ob Potsdam Revision einlegt, solle geprüft werden, wenn das Urteil schriftlich vorliegt und rechtskräftig ist, hieß es aus der Verwaltung. Ob Baugenehmigungen für die drei Villen erteilt werden, blieb offen.
Die Eigentümer der Grundstücke am Glienicker Horn übten gestern über ihre Rechtsanwalte scharfe Kritik an der Stadtplanungs-Politik unter Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und der Entscheidungen des Stadtparlaments für das Bauverbot. „Das ist ein einmaliger Fall, das hat es in Deutschland noch nie gegeben“, sagte Groth, der die Commerzbank-Tochterfirmen vertritt. Die Vorsitzende Richterin des OVG, Dagmar März, habe in der mündlichen Verhandlung geäußert, das Agieren der Stadt mache „fassungslos“.
Andreas Seeck als Anwalt des ehemaligen Bankiers, über dessen Bauantrag für ein einstöckiges Einfamilienhaus die Verwaltung nach dem OVG-Urteil wieder entscheiden muss, warf der Stadt vor, auf Konfrontationskurs gegangen zu sein. Potsdam habe in der Vergangenheit das Grundstück weder selbst kaufen wollen, noch eine Kompromisslösung bei der Bebauung gewollt. Sein Mandat habe bereits gegen die Veränderungssperre geklagt; diese hatte das OVG bestätigt, es habe jedoch „deutliche Anmerkungen“ zum Handeln der Stadt gemacht. „Wie die Verantwortlichen sehenden Auges in diese Situation geraten konnten, ist mir ein Rätsel“, so Seeck. Auch habe Oberbürgermeister Jakobs noch vor einigen Wochen zugesagt, einen weiteren Vorschlag zur Einigung zu prüfen – nichts sei geschehen. Die Fraktionen des Stadtparlaments seien mit Ausnahme der Bündnisgrünen untätig geblieben. Die CDU habe sich ein Statement angehört, alle anderen hätte sich nicht einmal gemeldet. Sein Mandat habe Potsdam bereits seit einiger Zeit wieder verlassen; ob das Ehepaar zurückkehren werde, sei ungewiss, so Seeck. Der ehemalige Bankier habe sich in Potsdam seinen Altersruhesitz bauen wollen; er habe ausgewiesenes Bauland erworben.
Unterdessen warnte gestern auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) vor weiteren Neubauten am Glienicker Horn. Die Stiftung bedauere das OVG-Urteil, sagte Sprecher Ulrich Henze, müsse es aber „hinnehmen“. Eine komplette Bebauung des Glienicker Horns habe eine negative Wirkung auf die Substanz des Welterbes – daran gebe es keine Zweifel, hatte zuvor Brandenburgs oberster Denkmalschützer, Landeskonservator Detlef Karg, gesagt. mit Ste
Von Sabine Schicketanz
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