zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Ungers Post-Fassade für 317 000 Euro

Nachfolger für „Haus des Reisens“: Bürgerinitiative Mitteschön legt konkretes Rekonstruktionsangebot vor

Stand:

Innenstadt - Zur künftigen Fassade des Nachfolgebaus für das „Haus des Reisens“ hieß es jüngst noch in der Stadtverwaltung: „Der Drops ist gelutscht.“ Gebaut werde durch die Pro Potsdam GmbH keineswegs eine Rekonstruktion der Fassade der 1945 schwer beschädigten Alten Post von Georg Christian Unger, die an der Ecke Friedrich-Ebert-Straße/Yorckstraße stand. Vielmehr entstehe die aus einem Workshop hervorgegangene Kompromissvariante, bekannt geworden unter dem Begriff „der geätzte Unger“.

Nun jedoch unternimmt die Bürgerinitiative Mitteschön einen weiteren Vorstoß für eine Unger-Rekonstruktion. Bereits vor drei Wochen präsentierte sie Pro Potsdam-Chef Horst Müller-Zinsius das zehnseitige Angebot einer Baufirma aus Berlin-Weißensee, die die Unger-Fassade für etwa ein halbe Million Euro rekonstruieren würde. Konkret bietet der Handwerksbetrieb für Stuckarbeiten Jörg Wilke GmbH an, eine Putz- und Stuck-Variante für 462 000 Euro zu errichten. Die Mischvariante, bei der das architektonische Gerüst aus Sandstein besteht, würde 592 000 Euro kosten.

Der Mitteschön-Aktive und Kunsthistoriker Hans-Joachim Kuke rechnet vor: Nach Abzug der in beiden Kostenschätzungen enthaltenen 145 000 Euro für sechs Figuren auf der Attika, von denen drei noch erhalten und die anderen drei durch Spenden aufgebracht werden könnten, sei die Unger-Fassade „im günstigsten Fall für genau 317 177 Euro und 32 Cent zu haben“.

Kuke verweist darauf, dass auch die Kompromissvariante, bei der ein Abbild der Unger-Fassade in senkrechte Betonstreben eingeätzt werden soll, nicht billig sein dürfte. Auch inhaltlich setzt sich Kuke mit dem Entwurf auseinander. Er fragt: „Wird das überhaupt den gewünschten Effekt haben? Ist das überhaupt baubar und zu unterhalten? Ist wirklich der Eindruck eines Käfigs auszuschließen und wird es am Ende nicht Effekthascherei sein?“ Kuke sieht es als problematisch an, wenn an der städtebaulich bedeutsamen Ecke eine „Look-at-me-Architektur“ entsteht, zumal „ ja auch die Bibliothek gegenüber ein buntes Bücherregal werden soll“. Für Kuke ist die Ecke „städtebaulich eines der wichtigsten Scharniere, eine Art Ankoppelungsgelenk zwischen der verschwundenen inneren Mitte und der äußeren Mitte“. Die Ungersche Alte Post sei so aufwendig gestaltet worden, weil sie von überall her zu sehen war. Kuke gibt zu bedenken, dass die Stadt gerade ein Konzept erarbeitet zur Rekonstruktion wichtiger Leitbauten, zugleich jedoch bei der eigenen Tochter Pro Potsdam eine Ausnahme mache.

Pro Potsdam ließ gestern mitteilen, es gebe zum Rekonstruktionsangebot „keine Reaktion“. Auch bei Handwerksmeister Wilke hat sich die Pro Potsdam noch nicht gemeldet. Wilke verweist auf beachtliche Referenzen seines Unternehmens. So war Wilke bei der Rekonstruktion des Hotels Adlon in Berlin beteiligt, ebenso bei der Sanierung des Einsteinturms und der Villa Arnim in Potsdam. Guido Berg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })