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MEIN WENDEHerbst: Ungewisse Zeit

JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger zwischen Kap Arkona und Fichtelgebirge demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9.

Stand:

JAHRE

MAUERFALL

Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. Hunderttausende DDR-Bürger zwischen Kap Arkona und Fichtelgebirge demonstrieren in diesen Tagen für Veränderung im Land – in den Abendstunden des 9. November fällt die Mauer. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Andreas Stöffges. Der gelernte Maler und Polizist ist heute 51 Jahre alt, lebt seit mehr als 20 Jahren in Potsdam und inzwischen von Arbeitslosengeld II – Hartz IV.

So richtig erinnern kann sich Andreas Stöffges nicht mehr an die Zeit des Mauerfalls. Nur daran, dass sie nicht einfach gewesen ist. Zur Zeit der ersten offenen Grenzübergänge hat er im Militärlazarett in der Großbeerenstraße gelegen, neben ihm ein Leutnant der Staatssicherheit. Erst kurze Zeit später sei er rausgegangenen und „zwei Tage nach West-Berlin gefahren“. Stöffges war zu dieser Zeit Polizist in der Bezirkshauptstadt Potsdam, hatte nach eigener Aussage mit den Einsätzen bei den Demonstrationen allerdings nichts zu tun. Es sei dennoch eine schwere Zeit gewesen, eine ungewisse dazu. Viele Kollegen seien im Herbst verunsichert gewesen, wie sie sich den Demonstranten und Mitmenschen auf der Straße gegenüber verhalten sollten. Stöffges erinnert sich an die Tage, die tausende von Menschen in Ost und West in den Freudentaumel stürzte. Dann verfällt er in Polizeideutsch und sagte Dinge wie: „Die Täterkreise haben konspirativ gearbeitet. Die wussten, dass wir nichts machen konnten“. Die Zeit des politischen Umbruchs habe schnell auch die Polizei erreicht, erst die Demonstrationen, dann die Maueröffnung und danach ein neues System. „Die Umstellung war schwer“, sagt Stöffges. Nach der Wende ist er ein halbes Jahr nach Wuppertal geschickt worden, um auf der Polizeischule zu lernen. Neue Gesetze, Demokratie, neue Chefs. Das habe ihn geprägt. Zurück in Potsdam hatte er neue Vorgesetzte aus den alten Bundesländern, die ihm die Welt erklären wollten. Einige seiner Kollegen waren schon nicht mehr da, andere ebenfalls in Wuppertal. Dabei hatte Stöffges in seiner früheren Heimat Leipzig ein anderes Leben. Maler sei er gewesen, bevor er in den 1980er Jahren nach Potsdam gekommen ist und zur Polizei ging. Zehn Jahre war er nach der Wende noch im Polizeidienst, dann folgte die Arbeitslosigkeit. Bis heute. Er lebt von Hartz IV, ist krank und versucht durch ehrenamtliche Engagements den Anschluss an die Gesellschaft zu halten. Wie er die politische Wende zwanzig Jahre danach bewertet, lässt er offen. Die Alltagsprobleme haben ihn fest im Griff, die Gesellschaftsform sei nicht seine. J. Brunzlow

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