Landeshauptstadt: Unglücksfall oder Totschlag?
Zweiter Verhandlungstag im „Messerstich-Prozess“/Zeugen sahen die Tatwaffe nicht in der Wohnung
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Zweiter Verhandlungstag im „Messerstich-Prozess“/Zeugen sahen die Tatwaffe nicht in der Wohnung AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein „War Mike angetrunken, dann gab es meistens Ärger mit ihm“, berichtete der Zeuge Dennis Sch. (26) am gestrigen zweiten Verhandlungstag vor dem Schwurgericht. Auch am Tatabend, dem 4. Oktober 2003, habe der große, kräftige Mann genügend Bier intus gehabt, um Streit anzuzetteln. „Mein Kumpel Marco fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, bei ihm vorbeizukommen“, so der Potsdamer. Als er gegen 19.30 Uhr in dessen Wohnung in der Waldstadt auftauchte, habe Mike bereits „dusslig gequatscht“. Da ihm die Atmosphäre brenzlig vorgekommen sei, habe er lediglich eine Zigarette geraucht, sich kurz mit dem Wohnungsinhaber unterhalten und nach knapp zehn Minuten zum Gehen entschlossen. Dies habe Mike missfallen. „Er stellte sich vor mich hin und wollte mich ins Gesicht schlagen, traf mich aber nur leicht am Ohr“, erzählte Dennis Sch. „Marko sagte daraufhin, meine Gäste können immer noch selbst entscheiden, wann sie gehen möchten.“ Ein Messer habe er im Wohnzimmer nicht gesehen, betonte der Zeuge. Seit dem 25. März muss sich Marko S. (32) wegen Totschlags vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts verantworten. Er soll seinem besten Freund Mike nach einem Streit die 15 Zentimeter lange Klinge eines Küchenmessers ins Herz gerammt haben. Der Arbeitslose befindet sich seit jenem Tag in Untersuchungshaft (PNN berichteten). Der Angeklagte stellte den tödlichen Messerstich am ersten Verhandlungstag als tragischen Unglücksfall dar, den er nicht wahrgenommen habe. „Ich griff mir das Messer von der Schrankwand, um Mike in seine Schranken zu weisen und ihn aufzufordern, meine Wohnung zu verlassen“, sagte Marko S. aus. Als der Freund ihn daraufhin unvermittelt ansprang, habe er seine Arme hochgerissen, um sich zu schützen, müsse Mike dabei aus Versehen mit dem Messer getroffen haben. „Die kleine Wunde auf seiner Brust sah überhaupt nicht gefährlich aus“, schätzte er ein. Da das Opfer kein Lebenszeichen mehr zeigte, alarmierte der mit über zwei Promille stark Angetrunkene den Notarzt, gab aber in der Aufregung die Adresse seiner ehemaligen Wohnung an. Später rief er nochmals an, korrigierte die Anschrift. Der Telefonmitschnitt wurde am gestrigen Prozesstag abgespielt. Marko S. war sichtlich in Panik, sprach von einem Unfall. Auch Heiko B. (34) – ein weiterer Kumpel des Angeklagten – verließ die Wohnung, bevor die Situation eskalierte. „Mike kam mir an dem Abend sehr aggressiv vor. Es passte ihm nicht, dass ich nach Hause wollte“, erinnerte sich der Zeuge. Die Tatwaffe bemerkte er während seines Besuchs ebenfalls nicht. Die Verhandlung wird fortgesetzt.
Gabriele Hohenstein
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