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Landeshauptstadt: „Uns geht die Zuversicht verloren“

Adil (48), Habiba (40) und ihre Tochter Adela Bektic (19) Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegovina über ihre Situation und ihr Leben in Potsdam

Adil (48), Habiba (40) und ihre Tochter Adela Bektic (19) Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegovina über ihre Situation und ihr Leben in Potsdam Heimat ist Habiba: der Ort wo man geboren ist und wo man in Frieden leben kann. Meine Heimat war die Stadt Janja in Bosnien-Herzegovina an der Grenze zu Serbien. Sie haben 1994 ihre Heimat verlassen. Habiba: Bei uns war Krieg. Wir hatten keinen Strom, kein Wasser und viel Angst. Zwei Jahre haben wir so gelebt. Mein Mann ist bereits 1992, zwei Jahre vor mir und meinen drei Kindern nach Deutschland geflohen. Er war Polizist in Serbien. Er ist, wie jeder in unserer Familie, Moslem. Ihm wurde gekündigt und man beschimpfte ihn als muslimischen Türken. Adil: Ich habe immer die Woche über in Serbien gearbeitet. Dann war unsere Stadt umzingelt. Eine Rückkehr war unmöglich. Selbst wenn ich gekonnt hätte, wäre es sehr gefährlich gewesen. Habiba: Mit den Kindern blieb ich in Janja, wir folgten Adil erst 1994. Wie sah ihr Leben zuvor, in den Jahren des Friedens aus? Habiba: Ich bin gelernte Bürokauffrau, habe später aber als Abteilungsleiterin in einer Schuhfabrik gearbeitet. Mein Mann war Polizist. Wir hatten ein eigenes Haus und Land, wo wir unser eigenes Obst und Gemüse angebaut haben. In der Nachbarschaft lebten meine Eltern. Adela: Als der Krieg begann, sagten meine Großeltern, dass wir weggehen sollen, sie selbst wollten unsere Häuser beschützen. Das war irrsinnig. Die Serben haben unser Land besetzt und meine Großeltern in eine andere Stadt, nach Tuzla, gebracht. Sie leben und wir haben Kontakt. Unter welchen Umständen haben sie im Krieg gelebt? Habiba: Wir haben praktisch so gelebt, als ob wir tot wären. Man hat zugesehen, dass man nicht auffiel. Vom serbischen Militär wurden wir herumkommandiert. Die Soldaten kamen des Tags und des Nachts, haben Zählungen gemacht. Meistens wurden Männer mitgenommen, manche wurden gleich umgebracht. Man konnte nichts dagegen tun. Dann sind Sie geflohen. Habiba: Eines nachts wurden wir geweckt, angeschrieen und aus unserem Haus vertrieben. Adela: Meine Oma wurde geschlagen. Wir sind dann barfuß zu meinem Opa ins Nachbarhaus gelaufen. Habiba: Von dort aus haben wir, mein Sohn, meine beiden Töchter und ich, die Flucht angetreten. Zunächst gingen wir nach Serbien und von dort aus nach Deutschland. Bei Verwandten in Berlin haben Sie zunächst Aufnahme gefunden. Habiba: Sie sind auch geflohen. Wir haben ein paar Tage bei ihnen gelebt. Hier habe ich meinen Mann wiedergesehen. Dann haben wir uns angemeldet und nach Schöneberg ein Heim gezogen. Gab es so etwas wie ein Zusammenleben, ein nachbarschaftliches Verhältnis? Adela: Es war nicht leicht. In unserer Familie leben drei Frauen, wir sind muslimisch. Wenn da Männer wohnen ist das schwierig. Zumal es unordentlich, dreckig und verwohnt war. Es war noch schlimmer als später im Lerchensteig in Potsdam. Dort ist ihre Familie hingezogen nachdem sie einen Asylantrag gestellt hatte. Adela: In Potsdam sind wir nach drei Monaten in eine Wohnung gezogen. Hier haben wir drei Zimmer. Wir hatten viel Unterstützung, auch die Behörden waren uns wohl gesonnen. Das kannten wir nicht. Wie sah Ihr Alltag im Heim aus? Adela: In der Schule konnte ich endlich alles vergessen. Ich war eine unter vielen. Ich habe dazu gehört. Keiner konnte mir hier ansehen, dass ich nur geduldet war. Adil: Es war schwer Bekanntschaften zu schließen. Eigentlich kamen wir mehr mit Menschen zusammen, die ebenfalls im Heim lebten. Auch gab es wenig zu tun. Die Gedanken kreisten immer und immer wieder um die Sorgen. Sie hatten von Anfang an eine Duldung. Habiba: Die wurde alle sechs Monate verlängert. Wir hatten immer die Angst, dass wir gehen müssen. Kurz bevor wir im vergangenen Jahr nach Potsdam gekommen sind, wurden wir von der Ausländerbehörde benachrichtigt, dass wir abgeschoben werden. Adela: In einer Nacht stand die Berliner Polizei vor unserer Tür im Schöneberger Wohnheim. Die Beamten holten uns ab und brachten uns zum Flughafen. Habiba: Glücklicherweise haben wir unseren Anwalt erreichen können, der die Abschiebung stoppen konnte und einen Asylantrag für uns eingereicht hat. Durch den Antrag mussten wir ins Aufnahmelager nach Eisenhüttenstadt. Dann kamen wir nach Potsdam. Das Potsdamer Verwaltungsgericht prüft derzeit Ihren Antrag auf Asyl. Adil: Wir hoffen, dass sich die Beamten nicht am Berliner Urteil orientieren, sondern neu entscheiden. Sie leben seit mittlerweile zehn Jahren in der Bundesrepublik. Hat man Ihnen geholfen sich zu integrieren? Adil: Nein. In den Jahren in den Heimen konnten wir keine Kontakte mit Deutschen knüpfen. Ich bemühe mich immer wieder um eine Arbeitserlaubnis, die ist mir bisher verweigert worden. Es gibt ein paar Menschen, die uns wohl gesonnen sind, die uns versuchen zu helfen oder einfach nur da sind, beispielsweise in der Potsdamer Diakonie. Habiba: Uns geht der Mut, die Zuversicht verloren. Es fällt uns schwer optimistisch zu sein. Wir wissen nicht, ob wir bleiben dürfen. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie daran denken, eventuell abgeschoben zu werden? Habiba: Ich kann es mir nur schwer vorstellen, in eine Stadt zurückzukehren, in der unsere Feinde leben. Wie sollen wir da sicher leben können? Wovon träumen Sie? Habiba: Wir möchten einen Platz finden, an dem wir in Frieden leben und unser Leben planen können. Das Gespräch führte Ulrike Strube

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