Landeshauptstadt: „Uns quält die Gebäudemasse“
Der Potsdamer Gestaltungsrat ließ kaum ein gutes Haar an vier geplanten Stadthäusern in der Zeppelinstraße, lobte ein junges Team über den Klee und beriet über Aufstockungen am Schlaatz
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Ausgerechnet die Bauprojekte mit großer öffentlicher Bedeutung verhandelte der Gestaltungsrat am Mittwoch unter Ausschluss von Öffentlichkeit und Presse: Ein Projekt an der Breiten Straße/Ecke Schopenhauerstraße der Constructiv Baubetreuung GmbH aus Berlin sowie in der südlichen Speicherstadt der Umbau des Magazins 4 und der Leipziger Straße 61 der Speicherstadt Potsdam GmbH.
In Anwesenheit von interessierten Bürgern und Journalisten ging es dann weiter mit vier in Reihe stehenden Stadthäusern der Kimos GmbH Bremen, die 28 Wohnungen beinhalten. Die Ratsmitglieder kritisierten, dass das Vorhaben bereits in der Baugenehmigungsphase ist. „Da können wir nicht mehr als eine Empfehlung abgeben“, monierte Ratsmitglied Michael Bräuer. Ratsvorsitzende Ulla Luther direkt an die Adresse der Stadt: „Das hätten wir gern früher gesehen!“ Dann hätte das Vorhaben grundsätzlich anders angegangen werden können. Nunmehr sei „das Grundstück zu stark ausgenutzt, uns quält die Gebäudemasse und die Unruhe in der Gebäudestruktur“, sagte Ulla Luther: „Der Städtebau bedarf einer grundsätzlichen Überarbeitung.“ Im Zuge der peinlichen Befragung – Ulla Luther: „Ist das ein Typenhaus?“ – musste der Investorenvertreter sogar zugeben, dass die Gebäude nicht eigens für Potsdam entworfen wurden: „So etwas Ähnliches haben wir schon gebaut.“ Konkrete Folge ist etwa die Bedrängung einer großen, schützenswerten Rotbuche. Dazu Ulla Luther: „Die Pracht des Baumes wird verbaut“ und „Der Baum braucht mehr Luft.“ Ratsmitglied Martin Reichert lobte zumindestens den Versuch, sich mit der Umgebung auseinanderzusetzen – wenn diese auch nicht viel hergebe und „ein Würfelhusten unterschiedlicher Typologien“ darstelle. Im Entwurf kritisierte Reichert, dass oben und unten nichts miteinander zu tun haben wollten: „Das sind zwei Häuser, die aufeinanderstehen.“
Großes Lob erfuhr indes der Entwurf eines Mehrfamilienhauses mit Kindertagespflege in der Babelsberger Heinrich-von- Kleist-Straße des Architekten Alexander Beljatzky. Die Bauherren-Gruppe wurde von Ulla Luther als „beispielgebendes, junges Team“ bewundert. Einzige Anregung: Der Entwurf weise im Inneren dank leichter und interessanter Grundrisse eine gewisse Fröhlichkeit auf, während die Außenfassade aufgrund dunkler Ziegel eine „enorme Schwere“ ausdrücke und „sehr solitär“ wirke. Ansonsten jedoch durften Oliver Zemke, David Wodthe und Jan Kallensee mit summa cum laude davonziehen. Ulla Luther: „Machen Sie weiter so, kaufen Sie noch ein paar Grundstücke.“
Positiv wurde auch der Vorschlag der Wohnungsgenossenschaft PWG 1956 eG aufgenommen, einen DDR–Plattenbau im Schlaatz aufzustocken. Der „WBS 70 III Typ Potsdam“ mit der Adresse Wieselkiez 2 wurde 1985/86 errichtet und könnte zu den 24 vorhandenen Wohnungen noch weitere sechs dazubekommen. Die Bauverwaltung sieht das Vorhaben sogar als Pilotprojekt und sieht Im Schlaatz ein Aufstockungspotenzial von 160 Wohnungen. Reichert warnte, das bisherige Sanierungsvorhaben in Plattenbaugebieten „sehr utilitaristisch“ – also dem Nützlichkeitsprinzip folgend – waren und eine „übergeordnete Gestaltungsidee“ fehlte. Auch Ulla Luther warnte davor, dass jede Platte eine andere „neue Mütze“ bekomme; es müsse ein Prototyp her. Mara Pinardi fand, dass der vorgelegte Entwurf Orientierung geben könnte für andere Eigentümer.
HINTERGRUND
Die Mitglieder des Potsdamer Gestaltungsrates – ausgewiesene Städteplaner und Architekten – wurden 2010 für die Dauer von drei Jahren berufen. Die Aufgabe des Gestaltungsrates ist es, Bauherren in Potsdam zu beraten, um deren Projekte architektonisch zu qualifizieren. Mitglied Michael Bräuer, dem Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zum 70. Geburtstag gratulierte, wird laut Ratschefin Ulla Luther dem Gremium künftig nicht mehr angehören. „Demnächst“, so Ulla Luther, würden neue Mitglieder berufen, wobei laut Satzung auch bisherige Ratsmitglieder wiederum für drei Jahre gewählt werden können. Zu den Aufregern der ersten drei Jahre gehört eine geplante Neubebauung der Kurfürstenstraße 24/25. Auf dem Grundstück steht derzeit leerstehend das ehemalige Wohnhaus des Architekten Heinrich Laurenz Dietz. Christian Rapp war es, der klare Worte zu den Abrissplänen fand: „Sie sind dabei, eine Bausünde zu organisieren.“ (gb)
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