Aus dem GERICHTSSAAL: Unschöne Situation
Nötigung kontra Beleidigung im Straßenverkehr
Stand:
Der Kontrahent Torsten T. wurde bereits rechtskräftig wegen Nötigung verurteilt. Jetzt ist Sven S.* (27) wegen Beleidigung dran. Es geht um eine unschöne Situation im Straßenverkehr, die beide Männer offensichtlich die Nerven verlieren ließ. Torsten T. – diesmal als Zeuge geladen – muss während der Aussage von Sven S. auf dem Gerichtsflur warten.
„Die Anklage ist nicht korrekt“, betont Sven S. zu Prozessbeginn. Der Staatsanwalt wirft dem Kameramann vor, Torsten T. am 4. Juni vorigen Jahres auf der Nutheschnellstraße als „Wichser“ und „dummes Schwein“ betitelt zu haben. „Ich holte meine Freundin in ihrem Smart vom Arzt ab. Unser kleiner Hund befand sich in einer Tasche auf der Ablage. Als ich verkehrsbedingt halten musste, hupte Torsten T. in seinem VW Sharan wie wild hinter uns. Er gestikulierte und zeigte auch den Stinkefinger“, berichtet der Angeklagte. Als sich die Autos wieder in Bewegung setzten, sei der Sharan-Fahrer dicht an ihnen vorbeigezogen. „Ich dachte, er drängt mich gleich in die Leitplanke. Plötzlich schnipste er etwas gegen unsere Seitenscheibe. Wer weiß, was er noch vorhatte“, mutmaßt Sven S. Seine Freundin habe die Polizei angerufen, den Beamten das Kennzeichen des Sharan genannt. „Wir sollten gleich aufs Präsidium kommen. Dort wurde unsere Anzeige wegen Nötigung aufgenommen.“
„Der Angeklagte telefonierte mit seinem Handy. Dabei vergaß er wohl das Weiterfahren“, präsentiert Torsten T. seine Sicht der Dinge. „Ich kurbelte meine Scheibe herunter, fuhr langsam an ihm vorbei und riet ihm, sich eine Freisprechanlage anzuschaffen. Die würde es auch für solche Mini-Autos geben. Daraufhin wurde der Angeklagte sehr wütend. Er äußerte gewisse Nettigkeiten durch die offene Seitenscheibe und zeigte mir den Vogel“, betont der Tischler. „Ich habe nicht telefoniert. Außerdem waren alle Scheiben des Smart geschlossen. Meine Freundin hatte Halsschmerzen. Und unser Hund sollte keine Zugluft bekommen“, pariert Sven S. Im übrigen habe er kein Wort von dem verstanden, was Torsten T. gesagt haben will. „Ich habe ihn auf keinen Fall beleidigt.“ Maja M.* (30) saß an jenem Tag auf der Rückbank des Sharan, neben ihr der achtjährige Sohn. „Was am Anfang war, habe ich nicht mitgekriegt. Dann vernahm ich die Ausdrücke des Angeklagten. Das war mir wegen des Kleinen gar nicht recht“, berichtet sie im Zeugenstand. Die Freundin von Sven S. will von „irgendwelchen verbalen Entgleisungen“ ihres Partners nicht gehört haben.
Amtsrichter Thomas Lange sieht „gewisse Plausibilitätslücken in den Aussagen der Zeugen“ und spricht den Angeklagten nach dem Grundsatz „In dubio pro reo“ frei. (*Namen geändert.) Hoga
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